Nach 13 Stunden und 13 Minuten läuft der Abspann zu einem Spiel, das mich sehr gut unterhalten, aber nicht begeistert hat. Hätte mich letztes Jahr jemand gefragt, welcher Titel unsere Wertungsgrenze sprengen könnte, dann hätte ich auf Resident Evil 5 getippt. Ich habe den Vorgänger geliebt, weil er auf dem GameCube eine neue Form des Survival-Terrors inszenieren konnte, die grafisch und spielerisch überraschte. Aber an diese Wucht und Düsternis kommt der Nachfolger nicht heran. Und das ist seltsam, denn Capcom inszeniert nicht weniger als ein grafisches Feuerwerk, das die Konkurrenz überstrahlt, und hervorragende Bosskämpfe, die ihresgleichen suchen. Hinzu kommt, dass der frische afrikanische Schauplatz gerade zu Beginn für Panik sorgt, weil man ständig von einer übermächtigen Meute gehetzt wird - diese Momente sind großartig, weil die Masse unheimlich lebendig wirkt. Aber je weiter man spielt, desto weniger meistern die Japaner den Spagat zwischen bedrohlichem Horror und explosiver Action. Letztere überwiegt am Ende so eindeutig, dass man trotz des richtigen (!) Festhaltens an der alten Steuerung von einem Kniefall vor dem Shooter sprechen muss, den der Vorgänger nur andeutete: Man ist immer im sicheren Duett unterwegs, man nutzt Deckung wie in jedem Wald- und Wiesenshooter, man kämpft gegen Spezialeinheiten und dick gepanzerte Typen, die genau so in Killzone 2 oder Gears of War 2 vorkommen könnten. Warum will man so sein wie alle anderen? Warum hat man die grandiosen Lichteffekte nicht für Schreckmomente und Horror im Dunkeln genutzt? Ich gehe gerne mit Capcom auf die Knie, denn dieses Abenteuer macht auch so explosiven Spaß. Unterm Strich sorgen grandiose Kulisse, kinoreife Filme, effizientes Teamplay sowie die erzählerisch gute Einbindung in das Umbrella-Universum für spannende Unterhaltung. Aber das ist einfach nicht die "nächste Generation von Angst", die Capcom versprochen hat. Das ist schlicht und einfach die aktuelle Generation von sehr guter Action - nicht mehr, nicht weniger. Resident Evil 5 ist deshalb nicht das erhoffte Überspiel für mich geworden, weil es seine charakteristischen Konturen selbst verwischt und die Anbindung an seine Wurzeln verliert - manchmal hat man das Gefühl, ein
Lost Gears of Devil May Evil zu spielen. Hey, selbst dieser wilde Mix macht richtig Laune! Aber Capcom muss aufpassen, dass man bei all den Explosionen und dem Engine-Gepose nicht irgendwann die Titel im eigenen Hause verwechselt. Jun Takeuchi meinte kürzlich, dass sich japanische Spieldesigner mehr am Westen orientieren sollten. Technisch mag das wichtig und richtig sein, um konkurrenzfähig zu bleiben. Aber inhaltlich sollten die Japaner sich ihrer wertvollen Tradition bewusst bleiben, um den Horror mit Resident Evil 6 in seiner erschreckenden Form fortzuführen. Vielleicht täte der Reihe auch ein Finale à la Metal Gear Solid 4 gut, eine epische Hommage, die die besten Momente der schlurfenden Vergangenheit und die unheimlich lebendige Panik der Moderne in einem Schlusspunkt vereint.