von Eike Cramer,

Kommentar: Stadia - ein Fehlschlag mit Ansage

Stadia (Service) von Google
Stadia (Service) von Google - Bildquelle: Google


Das war's mit Google und Gaming! Stadia wird im Januar 2023 abgeschaltet – und damit die letzte intakte Brücke des Internet-Giganten zum Gaming-Markt in Brand gesetzt. Bereits Anfang 2021 wurde der Stecker bei den eigenen Studios gezogen, jetzt ist auch mit der eigenen Plattform Schluss. Damit verabschiedet sich einer der größten Internetkonzerne aus dem Spiele-Rennen und absolviert eine Bauchlandung, nur kurz nachdem er überhaupt aus den digitalen Startblöcken gestolpert ist.

Stadia war ein Fehlschlag mit Ansage. Und das lag nicht an der Technologie, deren Erfolg Google zuletzt erneut herausstellte. Aber egal wie gut die Technik hinter Stadia auch ist, die für manch verwöhnten High-End-Gamer unzumutbare, technische Einschränkungen mitbrachte und für andere die einzige Möglichkeit darstellte, Blockbuster wie Cyberpunk 2077 überhaupt zu erleben: Google ist an sich selbst gescheitert. Denn ähnlich wie Amazon hat man nicht so richtig verstanden, wie die Gaming-Branche wirklich tickt – und was für ein anspruchsvoller Kunde der Spieler an sich sein kann, wenn es nicht um Mobile-Games geht.

Das Ende der "Gaming-Zunkuft"



Die großspurig als „Zukunft des Gamings“ angepriesene Plattform war für einen fiktionalen Markt konzipiert, in dem Spieler kein Interesse mehr haben ihre Spiele wirklich zu besitzen, gleichzeitig aber dazu bereit sind, trotzdem den Vollpreis zu bezahlen. Denn Stadia war eine doppelt teure Angelegenheit: einerseits muss ein Abo abgeschlossen werden, um den Dienst selbst in bester Qualität nutzen zu können – darüber hinaus muss aber auch eine digitale Spielebibliothek zusammengekauft werden, die sich nur in Stadia selbst nutzen lässt. Das heißt: Spieler mit hunderten Spielen bei Steam oder auf der Konsole müssen sich im Zweifelsfall entscheiden, ob sie ihr Spiel auf einer dieser Plattformen oder bei Stadia kaufen wollen, wobei sie bei der Google-Plattform nicht mal die Möglichkeit haben, offline spielen zu können. Ihr Kauf findet ausschließlich im virtuellen Raum statt. Ist das Internet weg, sind auch alle Spiele wie eine Wolke verschwunden.

Und hier hat Google anscheinend einfach unterschätzt, dass sehr vielen Spielern etwas daran liegt, auch ohne 24/7 stabiles Internet in ihre Lieblingswelten einzutauchen. Diese Fehlannahme der eigenen Zielgruppe muss gigantisch gewesen sein. Denn man darf nicht vergessen: Stadia ist zum bestmöglichen Zeitpunkt überhaupt gestartet. Kurz nach dem Launch folgten nicht nur die Corona-Pandemie und weltweite Lockdowns, die Menschen wie selten zuvor in die digitale Welt gezwungen haben. Der Stadia-Start ging auch mit einer Hardware-Krise einher, die die Spiele-Welt noch nie zuvor erlebt hat. Ende 2020 waren weder die aktuellen High-End-Konsolen noch aktuelle PC-Hardware verfügbar – und trotzdem hat Google es nicht geschafft, Stadia als attraktive Alternative zu etablieren. Wenn viele Spieler eher bereit sind, 800 Euro für eine PS5 oder über 1000 Euro für eine RTX 3080 zu bezahlen, anstatt maximal 100 Euro in Stadia zu investieren, dann läuft gehörig etwas schief. „Der Business-Case stimmt nicht“, wie ein Höhle-der-Löwen-Investor wohl sagen sagen würde.

Die Ignoranz des Silicon Valley



Klar - Spiele verkaufen Plattformen, darüber könnte Sony vermutlich eine ganze Ratgeber-Regalwand verfassen, wenn nicht jede freie Sekunde in die Produktion der immer noch vergriffenen PlayStation 5 fließen müsste. Aber selbst ohne First-Party-Blockbuster hätte Stadia ein Erfolg werden können. Denn es ist viel mehr die arrogante Ignoranz, mit der das Silicon Valley der Gaming-Branche gegenübersteht, welche die Weltkonzerne auf diesem Feld regelmäßig scheitern lässt. Während Amazon nach wie vor Geld ohne Ende verbrennt, um wenigstens einem ihrer unheimlich mittelmäßigen Spieleprojekte (New World) zu Erfolg zu verhelfen, scheint Google sich im Vorfeld kaum Gedanken gemacht zu haben, wie die eigene Marktmacht geschickt eingesetzt werden kann, um Spieler langfristig für das Projekt Stadia zu begeistern. Wer erst große Namen engagiert, großspurige Mega-Spiele-Projekte ankündigt und sie dann nur ein Jahr später spektakulär implodieren lässt, der weiß augenscheinlich nicht, wie langfristig moderne Spieleproduktionen aufgestellt sein müssen. Das ist unheimlich fahrlässig, wenn man nachhaltig an einer der größten Boom-Branchen innerhalb der Techwelt partizipieren möchte. Games brauchen einen langen Atem – den Google mit vielen seiner internen Projekte traditionell nicht hat.

Dass das Thema Cloudgaming auch erfolgreich gestaltet werden kann, zeigt ein ganz anderes Tech-Schwergewicht: Microsoft. Denn in Redmond scheint man nach quälenden Jahren der Orientierungslosigkeit endlich begriffen zu haben, wie man sein quasi unendliches Windows-Cash geschickt einsetzt, um Spieler an den Xbox-Kosmos zu fesseln, in dem die Konsole selbst nur noch ein Baustein von vielen ist. Der Game Pass ist ein über Jahre gewachsenes Killerargument für das grüne Ökosystem mit dem X-Logo. Und der XCloud-Dienst, der am Ende gar nicht so anders aufgestellt ist als Stadia, ist tatsächlich eine mögliche Zukunft des Gamings. Microsoft wird mit seinem gigantischen Studio-Verbund und dem günstigen Mega-Abo Game Pass in wenigen Jahren der Fixstern des Spiele-Universums sein, dessen Gravitationsfeld Sony und Co. wohl nur unter größten Anstrengungen entkommen können. Denn Phil Spencer & Co. haben nach dem Xbox-One-Debakel augenscheinlich verstanden, dass man wohl doch erstmal die eigene Kernzielgruppe mit starken Diensten, Hard- und Software versorgen muss, bevor man nach und nach neue Technologien implementiert und die downloadfreie Zukunft vorbereitet.

Tschüss Stadia, meine Trauer hält sich in Grenzen.

In der ersten Version des Artikel hieß es, dass man jederzeit ein Abo für die Stadia-Nutzung bräuchte. Dies ist aber nur für die 4K-Nutzung nötig. Das haben wir korrigiert.


Kommentare

F.S.M. schrieb am
Ich habe das schon beim anderen Artikel geschrieben, aber hier nochmal: Stadia. Braucht. Kein. Abo.
"einerseits muss ein Abo abgeschlossen werden, um den Dienst selbst nutzen zu können"
-- Nein. Das ist schlicht und einfach falsch.
Was mich daran so stört, ist dass diese Aussage in einem Artikel eines Spielemagazins steht. Wenn Leute auf reddit das schreiben, dann haben sie sich halt nicht richtig informiert und springen nur auf den Hate-Train auf.
Aber 4players? Stellt euch mal vor:
"Die neue PS5 ist ja ganz cool, aber schade dass man sie nur mit PS+ Abo nutzen kann", oder halt
"Nette neue XBox, aber lässt sich halt nur mit aktiven Games with Gold Abo nutzen".
Klingt das jetzt übertrieben? Klingt das jetzt nach einem "das ist doch was ganz anderes!"-Vergleich? Ist es aber nicht. Selbst nach drei Jahren schreibt 4players, es "muss ein Abo abgeschlossen werden, um den Dienst selbst nutzen zu können". Das ist exakt das gleiche.
Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen: Da bist du ein Spielemagazin und gibst so offen zu, dass du nicht mal eine Sekunde lang geschaut hast, wie der Dienst wirklich funktioniert. Dass du dir das Recht nimmst, über einen Dienst zu lästern, dessen unterste einfachste Basisfunktion du dir nicht mal die Mühe anzuschauen gemacht hast.
Das ist bitter. Das ist ein Armutszeugnis.
Und schaut hier in die Kommentare, direkt nach ein paar Posts wird die gleiche Falschaussage wieder aufgegriffen. Na herzlichen Glückwunsch.
johndoe711686 schrieb am
Hiri hat geschrieben: ?04.10.2022 23:48 Mal abgesehen von Deutschland, wo Internet nach wie vor Neuland ist und für solches Vorgehen sowieso völlig irrelevant ist.
Im August 2022 lag die durchschnittliche Downloadgeschwindigkeit der Festnetzanschlüsse in Deutschland bei rund 75,1 Mbit/s (Medianwert).
Das mag im internationalen Vergleich eher mau sein, reicht aber locker für Spiele-Streaming.
Hiri schrieb am
Mal abgesehen von Deutschland, wo Internet nach wie vor Neuland ist und für solches Vorgehen sowieso völlig irrelevant ist. Sehe ich Cloud Gaming sehr kritisch. Das ist totale Abhängigkeit.
Von daher gut das Google damit gescheitert ist.
crazillo87 schrieb am
Google verabschiedet sich natürlicht nicht von Spielen - es bleibt ein wichtiger Platform-Holder auf mobilen Endgeräten. Dieser Markt wächst weit stärker als der klassische Konsolenmarkt. Insofern stimme ich den ersten Zeilen des Kommentars dahingehend nicht zu. Aber richtig ist: Bei Hardcore-Gaming im PC- und Konsolenbereich wird jenseits eines Anbietens der eigenen Technologie für Fremdfirmen Google keine Rolle mehr spielen.
Microsoft macht es in der Tat richtig, da sie erkannt haben, dass der Spieler selbst entscheiden soll, ob er lokal auf Konsolen oder PC-Hardware oder dann, wenn er unterwegs ist oder gerade eine gute Internetleitung hat, eben über xCloud zocken will. Die geräteübergreifende Konten-Synchronisation klappt gut und auch das Streaming wird insbesondere seit diesem Frühjahr immer besser und für viele Spiele tatsächlich eine gute Alternative.
Wie der Kommentar auch weine ich Google nicht hinterher.
OchsvormBerg schrieb am
Bussiebaer hat geschrieben: ?04.10.2022 14:24 Für eine Spielegruppe mag das durchaus der Fall sein, das muss aber nicht der größte Teil der Spielerschaft sein (ganz ehrlich, keine Ahnung wie groß hier die Gruppe ist, die Wert auf Input Lag etc. legt, hab da gar kein Gefühl dafür).
In Zeiten, in denen 144+ Hz Monitore immer mehr der Standard werden, sollten sich auch viele Casual Single Player Gamer zumndest an der geringen Framerate stören.
Und die Leute, die komplett keine Ahnung haben und einfach hin und wieder daddeln wollen: Naja, ich wette der Großteil von denen weis überhaupt nicht, dass es sowas gibt und die Hürde sich damit auseinander zu setzen ist dann auch schon wieder zu groß. Da wird dann eher eine Konsole gekauft.
Sicherlich gibt es eine Nische für das Streamen von Spielen, aber diese ist wohl nachweislich nicht besonders groß. Es sind eben schon mehrere Firmen damit auf die Nase gefallen.
schrieb am