Künstliche Intelligenz ohne Fortschritte
Aber um mehr Qualität hinsichtlich Spielwelt oder Figurenverhalten ging es Eidos Montreal gar nicht. Deshalb sollte man auch nicht erwarten, dass sich hier irgendetwas hinsichtlich künstlicher Intelligenz seit 1998 verbessert hätte; man bekommt quasi den Stand von anno dazumal: Wachen suchen in mehreren Alarmstufen, sie entzünden gelöschte Fackeln wieder, sie bemerken ausgeknockte Kameraden und gehen verdächtigen Geräuschen nach. Bewusstlos geschlagene Wachen lassen sich wegschleppen. Es gibt neue „Erstickungspfeile“ gegen bellende Hunde und schnatternde Vögel. Das ist solide, das sorgt für Katz und Maus im Schatten, aber nicht viel mehr als man schon aus Metal Gear kennt.
Garrett kann fast automatisiert rennen, springen und klettern - so entsteht vielleicht ein "Flow", aber der Anspruch ist "low".
Im Gegenteil: Auf Dächern ist man z.B. immer sicher, weil Wachen einfach nicht hoch klettern - selbst in Assassin’s Creed muss man oben auf der Hut sein, so dass mehr Spannung entsteht. Man wird verfolgt? Einfach die kleinen Areale verlassen und jeder Alarm wird nach der Ladephase getilgt, keine Wache folgt. Richtig bizarr wird es, wenn man so in eine Taverne flüchtet: Obwohl Garret per Steckbrief mit Bild gegen hohe Belohnung gesucht wird, kann er gefahrlos in die Kneipen rein - selbst die Wachen (!) reagieren nicht auf ihn. Nochmal zum Mitschreiben: Er ist der Public Enemy Number one, dessen Visage jeder kennt. Wieso muss er sich verdammt nochmal nicht hinein schleichen, tarnen oder in eine dunkle Ecke kauern? Wer soll diese Spielwelt noch ernst nehmen, die nicht mal den Stand eines Assassin’s Creed erreicht, wo Stealth-Action nur eine Nebensache war?
Durchwachsenes Figurenverhalten
Fackeln mit Wasserpfeilen löschen, Kerzen ausdrücken oder Lichtschalter betätigen - so schafft man sich Dunkelheit.
Es gibt weitere Dinge innerhalb des Spieldesigns, die mir nicht gefallen, wie z.B. das Ausknocken von Wachen, die (viel zu oft!) auf Stühlen schlafen: Statt eines eleganten Hiebs, der sie in sich zusammen sacken lässt, werden sie unnatürlich mit einem Schrei (auf den niemand reagiert) aus dem Sitz auf den Boden katapultiert; das sind ganz schlechte Animationen. Auch das Knacken von Schlössern wird schwach inszeniert – da gibt es iPad-Spiele wie
Lone Wolf, die das besser simulieren. Hier bekomme ich fast kein haptisches Gefühl für die Situation, denn ich muss lediglich den Analogstick drehen, bis sich im ersten der drei bis fünf Kreise ein weißer Punkt zeigt; dann R2 drücken und zum nächsten. Das ist nicht nur billig inszeniert, sondern kostet mich bei einem Fehlschlag nicht mal einen Dietrich, weil er ewig hält. Angeblich soll das Klicken beim Scheitern ja Wachen anlocken, aber das ist mir nicht einmal passiert. Sprich: Es fehlt die Spannung in diesen wichtigen Situationen.
Hinzu kommen schwere Aussetzer, wenn sich etwa riesige Tore malmend öffnen und die Wache dahinter zwar „Einbrecher!“ ruft, sich aber nicht mal umdreht - so einfach gelingt der Knockout. Oder wenn ein Armbrustschütze sieht, wie ich seinen bewusstlosen Kollegen wegschleppe, dann nach einem „Keine Bewegung!“ auf mich schießt und plötzlich stehen bleibt und umdreht. Vermutlich bin ich aus seinem Reaktionsbereich gelangt, obwohl er noch drei Meter vor mir steht. Überhaupt kann man die meisten der sehr kleinen Gebiete recht einfach von allen (!) Wachen befreien, weil ihre Sichtweite ein Witz ist: selbst vier, fünf Meter Abstand reichen aus, um nicht gesehen zu werden. Und wenn mal gejagt wird, braucht man nur die Dächer hoch oder in ein Ladelicht laufen und man ist auf der anderen Seite sicher - kein Alarm, keine Verfolgung. Und für mich als Stealth-Action-Fan kein Spielspaß.