Ein Spiel ohne Handschrift
Diesen Fokus z.B., der alles an Geheimnissen, Fallen und Interaktivitäten blau oder rot leuchten lässt, obwohl doch schon so viel visuell gespoilert wird. Die Entwickler haben nach dem negativen Feedback zum daraufhin gestrichenen XP-System scheinbar die Einsicht gewonnen, dass man es am besten dann allen recht macht, wenn sich auch alles an eigenen Ideen abschalten lässt. Aber selbst da sind sie inkonsequent, denn die wesentlichen Spielspaßkiller kann man nicht deaktivieren. Und man muss sich auch fragen, wie man beim Design von Stealth-Action überhaupt darauf kommen kann, dass im normalen Spielmodus ein Schlagstock im Kampf gegen mit Schwertern bewaffnete Wachen zum Knockout führt? Habt ihr denn keine Recherche betrieben, dass da draußen auch noch Leute mit Anspruch zocken, die Thief kennen? Ich werde also noch vor dem Start genötigt, offensichtlichen Unsinn zu entfernen, den ein Lead Designer von Format erst gar nicht zugelassen hätte.
Egal ob Königin der Bettler oder Diebesjäger: Die deutsche Lokalisierung ist zwar gut, aber die Nebencharaktere bleiben blass.
Wo ist überhaupt eine kreative Handschrift? Das Schlimme ist, dass man ihr fahriges Gekritzel unter der hübschen Kulisse tatsächlich noch erkennt. Denn selbst wenn man sich dieses Thief auf dem dritten Schwierigkeitsgrad "Meister" unter Aktivierung einiger klassischer, legendärer und ultimativer Modifikationen auf mehr Anspruch und weniger Hilfen zurechtkastriert, wird man immer nur Momente erleben, die an die Stealth-Action der 90er erinnern. Es gibt durchaus situative Spannung, aber kein homogenes Erlebnis – mal abgesehen davon, dass die Technik mit spät platzierten Texturen und Rucklern immer wieder leicht stottert. Aber vor allem die schwache Story, die Künstlichkeit, die Linearität
Optionen ohne Ende: Neben drei Schiwerigkeitsgraden gibt es über ein Dutzend abschaltbarer Elemente in drei Kategorien.
und die fehlende Glaubwürdigkeit einer in Module sezierten Spielwelt verhindern immer wieder das Abtauchen. Man wird nicht belohnt, weil man ein spezielles Risiko eingeht, sondern weil man nebenbei eben alles einsackt.
Dieses Thief ist kein Schritt in die Zukunft, sondern einer zurück, weil es sich die Entwickler beim Figurenverhalten extrem leicht machen: Alles ist zum einen auf kleinste Areale beschränkt, die der Power der aktuellen Generation absolut nicht gerecht werden. Sie bieten zudem nur bekannte KI-Mechanismen an, aber leisten sich unverzeihliche Inkonsequenzen und sogar Rückschritte, die das Interagieren mit der Umgebung in ein Korsett zwängen: Seilpfeile lassen sich nur an bestimmten, schrecklich offensichtlichen Stellen anbringen - und dann sieht es aus, als würde man einen Aufzug benutzen; kein Schwingen, kein Hangeln. Dann kann man an der einen Stelle nach oben klettern, weil dort Taubenschiss oder ein blaues Gitter klebt, direkt daneben geht es nicht, obwohl der Weg architektonisch einfacher wäre. Hinzu kommt ein willkürliches Leveldesign: Ich breche in ein Dachgeschoss ein, raube alles aus, höre unten Stimmen und kann - nicht runter. Wie kommen die Leute dann hier hoch? Und anstatt zumindest einen Hauch der freien Akrobatik von Mirror’s Edge anzubieten, wird man künstlich beschränkt und springt sogar automatisch, wenn man auf Abgründe rennt – komfortabel, aber langweilig.