Test: Armies of Exigo (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Electronic Arts
Release:
09.12.2004
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ab 34,04€
Spielinfo Bilder  
Edle Nostalgie

Natürlich trägt auch die Grafik ein wenig zur Ernüchterung bei, die mit ihrer klassischen Kulisse eher nostalgisches als modernes Flair verströmt. Es gibt malerische Landschaften, Fußabdrücke im Schnee, sich sanft wiegende Bäume und jede Menge feurige Explosionen und gleißende Lichtblitze. Auch die
Age of Kings in Edelgrafik? WarCraft 3 im Mittelalter? Armies of Exigo erinnert sofort an die glorreiche Vergangenheit isometrischer Strategiespiele.
Animationen wie das Schwertjonglieren untätiger Krieger oder die Keulenschläge der Oger sind mehr als ansehnlich und lassen sowohl Knights of Honor als auch Kohan 2 alt aussehen. Vielleicht ist Armies of Exigo sogar das letzte Prachtstück eines auslaufenden Grafikmodells, das mit wehenden Umhängen und Echtzeit-Schatten noch mal isometrischen Glanz entfacht.  Aber wir schreiben das Jahr 2004: Alles bleibt bezaubernd, ohne berauschen zu können. Man wurde bereits mit anderen Kalibern verwöhnt: Angefangen von Warhammer 40.000: Dawn of War über Rome: Total War bis hin zu Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde . Sie alle entfachen einfach mehr Mittendringefühl, mehr Nervenkitzel und weisen in die optische Zukunft des Genres.

Vor allem im Schlachtgetümmel kann Armies of Exigo trotz der wunderbaren Rüstungs- und Waffendetails nicht überzeugen, denn das Schwertgeklirr wird weder von coolen Hieb- und Stichbewegungen noch von deftigen Sounds oder Emotionen wie Angst, Jubel oder Flucht begleitet. Zwar gibt es durchaus nette Feinheiten wie das Herumschleudern von Gegnern, aber das Gemetzel wirkt insgesamt etwas eintönig und es hört sich monoton blechern an, wenn Klinge auf Klinge trifft. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass es keine vernünftige Nahansicht gibt? Denn was hätte der Zoom schon offenbaren sollen? Ohne ihn herrscht allerdings auch von Beginn an eine gewisse Distanz zum Spiel, denn eigentlich will man mit seinen Recken im Handgemenge mitfiebern.

Altbekanntes Spielprinzip

Und zur erzählerischen sowie optischen Ernüchterung gesellt sich gleich zu Beginn auch die spielerische. Ich zocke jetzt schon einige Jahre Echtzeit-Strategiespiele. Nicht professionell auf Turnieren, aber regelmäßig. Aber mir ist es noch nie passiert, dass ich bereits nach den ersten Missionen den Schwierigkeitsgrad auf "leicht" runterschrauben musste. Also von Stufe 2(!) auf Stufe 1 - und es gibt tatsächlich noch eine schwerere dritte! Für wen? Für Pro-Gamer-Götter mit Stoppuhr und Strategic Commander? Wenn man nicht sekundenschnell und exakt baut, überrennt einen die KI bereits nach wenigen Minuten. Das kann für harte Ladder-Spieler fordernd sein, ist aber gleich zu Beginn für Einsteiger und Ottonormalfeldherren frustrierend. Die Kampagne hätte im Schwierigkeitsgrad einfach sanfter ansteigen müssen.

Selbst auf der ersten Stufe muss man hart um jeden Sieg kämpfen. Das wäre ja noch eine Herausforderung, aber gutes Leveldesign bietet auch mehrere Lösungswege: Zu viele Situationen müssen hier exakt auf eine Art und Weise gelöst werden, damit man Chancen hat. Und wenn man erst mal die KI im Griff hat und im Spielfluss ist, merkt man sehr schnell, dass man genau das macht, was man schon seit Jahren macht: Rohstoffe sammeln, Häuser bauen, Arbeiter ausbilden, Kaserne hochziehen, Schmiede bauen, Krieger rekrutieren, bessere Rüstung erforschen, Tempel bauen, Priester anheuern, Armeen bilden, Feind suchen, alles platt machen. Immerhin vereinfachen die Befehlsketten das seit Mikromanagement. Aber wenn man ganz oben mitspielen will, muss man entweder über altbekannte Mechanismen hinausgehen oder diese in ein neues Spielgefühl packen.

Fantastisches Frustpotenzial

Und es gibt auch beim Aufbau einige störende Kleinigkeiten, die ich angesichts des Komforts viel älterer Spiele einfach nicht verstehen kann: Warum gibt es z.B. keine Alarmglocke? Und warum reagiert die eigene KI nicht auf Angriffe? Wenn die Untiere meine Basis stürmen, kann ich erstens
Keilerei im Eis: Leider kann man in Sachen Formationen oder Spezialtaktiken nicht großartig einwirken.
nicht auf Knopfdruck dafür sorgen, dass sich meine Arbeiter in Sicherheit bringen. Und zweitens lassen sie sich einfach abschlachten, während sie weiter Holz fällen oder Gold abbauen - das hat mich schon in Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde genervt, weil ich immer wieder den Babysitter spielen muss.

Wenn ich meine Bevölkerung dann manuell in die Burg befördert habe, verteidigen sie sich nicht! Erst später kann man Türme mit Bogenschützen besetzen oder die Blitztürme der Gefallenen errichten. Daher ist Armies of Exigo im defensiven Bereich gerade zu Beginn des Aufbaus eine kleine Enttäuschung und kann da selbst mit alten Klassikern wie Age of Kings nicht mithalten. Sicher kann man all diese Probleme als Schnellklicker in den Griff bekommen und man lernt schnell, seine Arbeiter auf andere Art und Weise zu schützen, aber ich hätte mir mehr Komfort und Automatismen von einem Spiel gewünscht, dass sich an so vielen Genre-Standards bedient.
            
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Kommentare

Pingu2002 schrieb am
@ T@xtchef:
Natürlich muß dann auch mutig und konsequent die in diesem Zusammenhang irreführende Prozentbezeichnung fallengelassen werden, und eine neue Einheit her, um das ganze auch phonetisch zu verdeutlichen.
Könnte man ja eine Umfrage machen dafür was gut klingt...
Pingu2002 schrieb am
Hi T@xtchef,
Hinter Deinen gefühlten Wertungsabständen steckt ja eigentlich keine Linearität mehr, wie man sie bei Prozentwertungen eben prinzipbedingt vermuten würde, sondern Du siehst den Anstieg eher exponentiell !
VOn 90-95 zu kommen ist doppelt so schwierig als von 85 auf 90, was wiederum doppelt so schwer war, als von 80 auf 85. So in der Richtung, muß ja nicht der Faktor 2 sein...
Wenn Du in der generellen Erklärung zum Wertungssystem eine Tabelle mit reinnimmst, die eben diesen exponentiellen Anstieg auch grafisch veranschaulicht, sollte absolut jeder hier den wirklichen (eben Deinen gefühlten) Abstand zwischen den Wertungen im oberen Bereich nachvollziehen können.
Je weiter wir uns der 100%-Marke nähern, desto schwieriger muß jeder einzelne Prozentpunkt erkämpft werden.
Finde ich sehr sinnvoll, Deinen Ansatz, denn nur so bekommt das Gewusel in den oberen Prozentbereichen die dringend benötigte Distanz.
liebe Grüße, und weiter so !
Pinguin
Jörg Luibl schrieb am
Merandis hat geschrieben: Für dieses "Phänomen" gibt es ja eigene Berufsfelder die soetwas erforschen... :)
Ja, vor allem Psychologen dürften hier fündig werden. :wink: Mal sehen, vielleicht werden wir uns für das nächste Jahr eine kleine Veränderung in Sachen Wertungssystem einfallen lassen...
Schönes Wochenende!
Merandis schrieb am
Auch wenns etwas OT ist:
Aber das alte \"Problem\" mit den Prozentwertungen. Offenbar wird da an eine psychologisch, wichtige Grenze angestoßen. Ein Spiel das 3-4% mehr oder weniger bekommt ist deswegen nicht gleich wesentlich besser oder schlechter. Aber es ruft ganz offensichtlich vereinzelt bei einigen Spielern etwas hervor, wenn sie 80% oder 85% bzw. 90% bei Spiele-Wertungen lesen, anstatt 78% oder 88% bzw. 92%. Für dieses \"Phänomen\" gibt es ja eigene Berufsfelder die soetwas erforschen... :)
Jörg Luibl schrieb am
durimo hat geschrieben:Nur stellt sich mir die Frage ob man nicht allgemein den Wertungsmaßstab etwas strenger auslegen sollte und wirklich nur noch sehr wenigen, absoluten Top-Titeln eine Wertung von 90 % oder eine Hohe 80er Wertung geben soll (also solche Spiele wie HL2, RTW oder GTA) Ich beobachte das leider ja nicht nur bei euch, sondern auch bei diversen anderes Seiten wenn sie Spiele testen.
Ich kann deinen Ansatz hin zu deutlicherer Abgrenzung nachvollziehen. Auch bei uns erhalten natürlich nur erstklassige Top-Titel die 90 Prozent.
Aber es stimmt, dass es im gerade durchschnittlichen bis guten Wertungsbereich (60-84%) manchmal sehr schwammig wird. Unsere klare Abgrenzung hin zu "sehr gut" wird von der 85% markiert, was dann auch zum Gold-Award führt. Vielleicht sollten wir unser Wertungssystem trotzdem einfach mal besser erläutern; dein Hinweis ist jedenfalls notiert.
Das Problem bei Echtzeit-Strategiespielen ist aber auch die hohe Dichte an Qualität. Weder Schlacht um Mittelerde noch Armies of Exigo konnten einen Award einheimsen, liefern aber gute Unterhaltung. Und mit etwas mehr Feintuning hätten beide noch besser abschneiden können.
Bei mir ist die gefühlte Distanz (hört sich jetzt vielleicht mathematisch blöd an, ist aber so:)) zwischen einer 80 und einer 85 viel größer, als die Distanz zwischen einer 60 und 65. Und noch viel viel größer empfinde ich die Distanz zwischen 80 und 90, (also Armies of Exigo und Ground Control 2) als die zwischen 70 und 80 (also Punic Wars und Armies of Exigo).
Vielleicht müsste man diese gefühlte Distanz in ein neues Wertungssystem einbinden? Mit Diagrammen? Ich spinne mal ein wenig rum:
Gefühlte Distanz 80 bis 85:
80---------------------------------------85
Gefühlte Distanz 60 bis 65:
60-------65
Gefühlte Distanz 20 bis 25:
20-25
Bis denne
schrieb am