Regendusche von oben und unten
Puh, das war knapp! Mit Mühe und Not fange ich mein schlitterndes Fahrzeug mit einer guten Reaktion ab, nachdem ich die Pfütze am Scheitelpunkt der Kurve kurz mit zwei Reifen erwischt hatte. Dabei bin ich bei diesem Sauwetter doch schon vorsichtig gefahren. Vor allem auch deshalb, weil ich kurz vorher weniger Glück hatte: Mit Vollgas raste ich durch einen kleinen See, der sich nach den Regengüssen in einer kleinen Senke auf dem Asphalt gebildet hatte. Das Wasser schwemmte die Reifen meines Boliden auf, sie verloren jegliche Bodenhaftung und ich konnte nur machtlos dabei zusehen, wie ich plötzlich ins Schleudern kam, von meinem eigenen Heck überholt wurde und der Wagen unkontrolliert ins Kiesbett schlitterte. Autofahrer kennen das gefährliche Phänomen, vor dem auch immer wieder auf Verkehrsschildern gewarnt wird: Aquaplaning. Und keine andere Rennsimulation hat Regenrennen im Allgemeinen und das Aufschwimmen der Reifen bisher so überzeugend eingefangen wie Forza Motorsport 6 mit seinen 3D-Pfützen. Selbstverständlich ist die Idee nicht neu, denn schon
Noch vor der Markteinführung darf man sich hinter das Steuer des neuen Ford GT klemmen und u.a. durch Rio de Janeiro preschen.
das kultige Amiga-Rennspiel Lotus Esprit Turbo Challenge brachte die Boliden neben Ölspuren auch mit Wasserpfützen ins Schleudern. Doch eine so akkurat und bedrohlich wirkende Umsetzung von Aquaplaning habe ich bisher noch nicht erlebt!
Etwas weniger spektakulär, aber trotzdem willkommen ist die zweite große Neuerung, die sich Forza-Fans neben dem Wetterwechsel gewünscht hatten: Nachtrennen. Dreht man seine abendlichen Runden auf einem Kurs wie Yas Marina, hält sich der Unterschied zum Tageslicht aufgrund der starken Scheinwerfer am kompletten Streckenrand noch in Grenzen. Doch prescht man z.B. auf dem Nürburgring oder Spa Franchorchamps durch die Dunkelheit und kann sich nur auf die Lichtkegel seiner Autolampen verlassen, wird die Kombination aus hoher Geschwindigkeit und mangelnder Übersicht ähnlich beängstigend wie die Fahrt durch die nächste Pfütze. Hinzu kommt, dass sich Nacht- und Regenfahrten eine weitere Gemeinsamkeit teilen: Genau wie bei nassen Oberflächen verringert sich aufgrund der niedrigeren Asphalt-Temperaturen in der Nacht ebenfalls die Bodenhaftung und die Pneus verlieren schneller an Traktion, so dass die Boliden früher über das Limit und entsprechend häufiger ins Rutschen kommen als auf trockenen Pisten bei Sonnenschein. Doch selbst bei idealen Streckenbedingungen ist mehr Feingefühl gefragt als im Vorgänger, denn obwohl die Flitzer nicht mehr so übertrieben stark zum Übersteuern neigen, erfordert das überarbeitete Reifenmodell jetzt mehr Aufmerksamkeit vom Fahrer, um die Belastungsgrenze der Räder nicht zu überschreiten. Denn schmeißt man die Karren zu aggressiv in die Kurven, folgt schnell die Retourkutsche in Form von quietschenden Reifen, die aufgrund der zu hohen Belastung und Temperaturen keinen ausreichenden Grip mehr bieten. Genau wie in der Realität kommt es auf die Mischung an: Von Straßen- über Sport- bis hin zu Rennpneus nimmt die Bodenhaftung zusammen mit dem Anschaffungspreis kontinuierlich zu. Für Drag-Rennen lassen sich sogar spezielle Slicks aufziehen. Ein Glück, dass man sich sowohl mit dem Controller und seinen nützlichen Impuls-Triggern als auch mit einer erhöhten Auswahl an Force-Feedback-Lenkrädern wunderbar an das jeweilige Limit heran tasten kann.
Welch ein Fahrgefühl!
Rasen in der Cockpitansicht - gerde bei Forza angesichts der vielen Details immer wieder schön.
Doch egal ob Lenkrad oder Gamepad, ob Trocken-, Nacht- oder die fantastischen Regenrennen: Die Fahrphysik überzeugt bei diesem Forza Motorsport mehr denn je und vermittelt erneut die Authentizität, die man von einer Rennsimulation erwartet. Es fühlt sich schlichtweg fantastisch an, mit den detailliert modellierten Boliden in der immersiven Cockpitansicht über lizenzierte Pisten wie Laguna Seca, Catalunya, Sebring oder die Nürburgring Nordschleife zu heizen, wobei die potente Grafikengine vor allem auf den wunderschönen Stadtkursen in Prag oder dem Neuzugang Rio de Janeiro zeigen kann, welche Power in ihr steckt. Obwohl es immer noch zu deutlicher Kantenbildung und vereinzelten Pop-ups kommt, ist es erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit die prachtvolle Kulisse im Zusammenspiel mit bis zu 24 Fahrzeugen hier offenbar gestemmt wird, ohne dass die Bildrate unter dieser Masse an Details leidet. Denn egal ob Regen oder Sonnenschein, Innen- oder Außenansicht, beim Solo-Lauf oder mit vollem Starterfeld: Die Engine bleibt konstant bei einer Darstellung von butterweichen 60 Bildern pro Sekunde und trägt damit ebenfalls ihren Teil zum herausragenden Fahr- und Geschwindigkeitsgefühl bei.