von Benjamin Schmädig,

Hellblade - Tameem Antoniades: "Es gibt keinen Grund, dass sich Spiele nicht um ernste Themen drehen können."

Hellblade: Senua's Sacrifice (Action-Adventure) von Ninja Theory
Hellblade: Senua's Sacrifice (Action-Adventure) von Ninja Theory - Bildquelle: Ninja Theory
Wie viele ernste Themen verträgt ein Videospiel? Um diese Frage ging es in einem Gespräch des britischen Magzins Develop mit Tameem Antoniades, der als kreativer Kopf von Ninja Theory seit vielen Jahren Spielfiguren mit Charakterzügen und Motiven erschafft, die über den Willen die Welt zu retten, hinausgehen. In Hellblade stellt der Schöpfer von Heavenly Sword, Enslaved und DmC: Devil May Cry immerhin eine Kriegerin in den Vordergrund, die nicht nur gegen eine greifbare Bedrohung bekämpft, sondern auch mit ganz persönlichen Dämonen ringt: Die Heldin erlebt Symptome, die mit Schizophrenie und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht werden.

Für Antoniades stellt sich dabei gar nicht die Frage, ob Spiele derartige Themen überhaupt anpacken sollten: "Ich finde nicht, dass Bücher und Filme in anspruchsvolle Bereiche vordringen dürfen, Spiele aber nicht. Es gibt keinen Grund, dass sich Spiele nicht um ernste Themen drehen können, wenn man sie als Medium für voll nehmen will."

Das Vorhandensein glaubwürdiger Charaktere würde das Erlebnis zudem nicht schmälern. Der Spielemacher weist darauf hin, dass er ein packendes Fantasyspiel erschaffen und der Protagonistin lediglich eine Persönlichkeit verleihen wolle, die den Spieler stärker an das Abenteuer fesselt - ähnlich wie es die Uncharted-Serie seiner Meinung nach tut.

Überhaupt interessiere Antoniades die Fantasy - nicht ihre genretypischen Klischees wie die aus Der Herr der Ringe, sondern eine auf Erfahrungen des echten Lebens beruhende. Denn wie er erklärt: "Ein anderer Aspekt, der mich reizt, ist die Fantasie, Kreativität und das Woher dieser Dinge - die Fähigkeit unseres Gehirns, Bilder und ganze Welten entstehen zu lassen. Je tiefer ich in Aspekte wie psychotische Erkrankungen vordrang, desto klarer wurde mir, dass das, was [betroffene] Menschen erleben, eine Erweiterung dessen ist, was wir alle erleben. Wir träumen ununterbrochen, halluzinieren, erschaffen Welten um uns herum. Je mehr man das Thema wissenschaftlich betrachtet, desto mehr wird einem klar, wie wenig dessen, was wir erleben, real ist."

Screenshot - Hellblade (PC)

Screenshot - Hellblade (PC)

Screenshot - Hellblade (PC)

Screenshot - Hellblade (PC)


Auf diese Weise wolle Ninja Theory also Spiel mit Wirklichkeit vereinen und eine Figur erschaffen, deren Erlebnisse real und trotzdem fantastisch sind.

Könnten Spiele solche besonderen Zustände auf eine Weise darstellen, wie es Büchern und Filmen nicht möglich ist? "Tatsächlich", mein Antioniades, "das war teilweise mein Aha-Moment." Wo die älteren Medien nur beschreiben könnten, was eine Figur sieht oder hört, sei es beim Spielen möglich, diese Erfahrungen mit eigenen Augen und Ohren wahrzunehmen.

Antoniades spricht in dem Interview auch über seine Zusammenarbeit mit einem Psychiater und Neurowissenschaftler sowie über das Treffen seines Teams mit Patienten, die von ihren Symptomen erzählten. U.a. aufgrund dieser eindringlichen Erzählungen sei es ihm wichtig, das Thema richtig zu verarbeiten. Dies sei bisher weder in Spielen noch in Filmen geschehen.

Missverständnisse will der Kreativkopf trotzdem vermeiden: "Am Wichtigsten ist mir das Erschaffen einer mitreißenden Geschichte über eine Kriegerin, die aufgrund der Gewalt, die sie gesehen hat, nun mal unter einer schweren Geisteskrankheit leidet. Nur darum geht es."

Vor eventuellen zurückweisenden Reaktionen fürchte sich Antoniades dabei nicht. Immerhin entstehe das Spiel mit einem so überschaubaren Budget, dass Ninja Theory nur solche Spieler ansprechen müsse, die ein echtes Interesse an dem Spiel haben. "Wir wollen die Leute nicht von etwas überzeugen, von dem sie nicht überzeugt sind", so Antoniades.

Letztes aktuelles Video: Art-Style-Test

Quelle: Develop

Kommentare

nawarI schrieb am
Ich freue mich tierisch auf das Spiel. Nebenbei, weil mir Enslaved und DMC unglaublich gut gefallen haben.
Aber vor allem dieser Aspekt der Geisteskrankheit gefällt mir - Storymäßig ist es hoffentlich gut umgesetzt, aber vor allem Spielerisch tun sich ja ne Menge Chanzen auf: Die Macher dürfen ja so richtig durchdrehen, was das Artdesign und Leveldesign angeht. Da ja alles was man sieht auch nur eingebildet sein kann, können sie fast alles machen was sie so wollen.
Festgeglaubte Wege und der Boden unter den Füßen könnte sich plötzlich auflösen. Unterhaltungen mit NPCs können sich nur im Kopf der Hauptperson abgespielt haben. Nichtmal die Schwerkraft muss vorhanden sein.
Natürlich kann das auch gewaltig in die Hose gehen. Die Szenen, wo sich Nathen in Uncharted 3 durch die Wüste haluziniert hat, sind mir (ganz allein und höchstpersönlich) gewaltig auf die Nerven gegangen.
Die Scarecrow-Räume in Batman: Arkham Asylum wiederum haben ein paar Möglichkeiten angedeutet, was da so möglich ist und stellen mMn das Highlight von Arkahm Asylum dar.
Uuuuund wenn Hellblade als ganzes Spiel darauf ausgelegt ist, könnte uns was echt cooles erwarten.
Das_lachende_Auge schrieb am
Oguz-Khan hat geschrieben:Die eigentliche Frage lautet nicht wieviel ernst ein Spiel vertragen kann, sondern wieviel Spiel ein ernstes Thema verträgt. Schon das Wort Spiel impliziert ein auf Vergnügen und Unterhaltung gezieltes Medium. Es gelang einem Spiel nur selten vielleicht in Silent Hill 2, Spec Ops:The Line und Alien Isolation, wirklich erwachsen zu wirken. Was es braucht ist eine Neudefinition des klassischen Videospiels.
Muahahah SpecOps erwachsen? Irgendwie hat sich das für mich angefühlt als ob man einfach mal so tun wollte wirklich erwachsen zu sein. Die "harten" Szenen wirkten sowas von erzwungen und haben mir das Spielgefühl verdorben. Das Ende war dann dementsprechend auch ein Witz.
Das_lachende_Auge schrieb am
Kommts nur mir so vor oder sehen die Charaktere von Ninja Theory alle irgendwie immer gleich aus was so Augen, Nase, Mundpartie betrifft?
heretikeen schrieb am
Rachlust hat geschrieben:Viel blabla und am Schluss kommt wieder nichts bei rum wie so üblich. Am Besten wurde es in Black Mirror umgesetzt.
Erst einmal Release abwarten dann sehen wir ob die großen Töne gerechtfertigt sind oder sich wieder auf einen Stereotyp Charakter bezieht der so tiefgründig ist wie eine Scheibe Salami :)
Meine Meinung. Im Vorfeld lässt sich immer viel schwadronieren über die tiefgründigen Charaktere, und am Ende ist es dann halt doch wieder nur zufällig gezogenes Gimmick aus der Lostrommel (dieses Mal halt nicht schwul, sondern schizophren).
Oguz-Khan schrieb am
Die eigentliche Frage lautet nicht wieviel ernst ein Spiel vertragen kann, sondern wieviel Spiel ein ernstes Thema verträgt. Schon das Wort Spiel impliziert ein auf Vergnügen und Unterhaltung gezieltes Medium. Es gelang einem Spiel nur selten vielleicht in Silent Hill 2, Spec Ops:The Line und Alien Isolation, wirklich erwachsen zu wirken. Was es braucht ist eine Neudefinition des klassischen Videospiels.
schrieb am