Berechtigte Angst vor der Dunkelheit
Lasst euch nicht vom Einstieg täuschen, bei dem sich das Spiel viel einsteigerfreundlicher präsentiert als der Vorgänger. Sobald man sich nach dem ersten Akt auf die Suche nach den verstreuten Lichtfragmenten der Weide begibt, um die Welt vorm Verfall zu retten, zieht der Schwierigkeitsgrad spürbar an. Schon auf der mittleren Stufe kann es frustig werden, etwa in den Höhlen mit der alles verschlingenden tödlichen Dunkelheit.
Dieser Slalomlauf beweist allerdings das typische Ori-Prinzip: In einem Moment steht man noch auf dem Schlauch oder sucht verzweifelt nach einem Mittel gegen übermächtige Gefahren. Schon ein paar Minuten später fällt aber fast immer der Groschen und ein erhabenes Gefühl macht sich breit. Im Fall der fiesen Finsternis muss man geschickt eine bestimmte Tierart ausnutzen – und wird schlussendlich mit einer Fähigkeit belohnt, die Ori selbst zur Taschenlampe werden lässt.
Fingerspitzengefühl
Die dynamische Beleuchtung in Aktion: Oris Harpunen-Griff nach dem glühenden Lasso taucht den kompletten Spinnenrücken in einem Blauton.
Hier beweisen die Moon Studios erneut viel Fingerspitzengefühl bei der Balance, auch wenn man sich in der riesigen, verwinkelten Welt mit all ihren Nebenquests schon mal verloren fühlt. Wenn die in mystischer Fantasiesprache brabbelnden Wesen Kultgegenstände oder neues Saatgut bekommen, eröffnen sprießende Pflanzen neue Wege durchs Dorf. Ihre Entdeckung ist eine schöne Abwechslung zu den kniffligen Kämpfen in den Dünen oder an schneebedeckten Gipfeln, u.a. aufgrund des herrlich entspannten Orchester-Soundtracks und der für Genre-Verhältnisse erstaunlich räumlichen Abmischung.
Wer im Vorgänger an den berüchtigten Passagen unter Zeitdruck haderte, dürfte diesmal weniger Probleme bekommen. Bevor man bei der Flucht vor einem Tentakelmonster entnervt den Controller an die Wand wirft, darf man die Sequenz erst einmal verlassen, um später wiederzukehren. Allgemein ist das Speichersystem viel gutmütiger geraten als früher. Statt wertvolle Energie für Speicherpunkte zu verbrauchen, wird das Spiel neuerdings automatisch an fast jeder Ecke gesichert. Wir sind mit beiden Systemen ähnlich gut zurecht gekommen: Das alte schafft ein wenig Taktik, das neue schont die Nerven, weil man in der Hitze des Gefechts keinen Speicherpunkt vergessen kann. Auch die nicht zu zahlreichen Schnellreisepunkte wurden sinnvoll über die Karte verteilt.