Typisch Far Cry, oder?
Auch der sechste Teil der Far-Cry-Hauptreihe bleibt sich weitgehend treu und gibt sich als Open-World-Schießbude mit Fast-Food-Charakter. Im Vergleich zu
Far Cry 5 und dem Ableger
New Dawn haben sich Inszenierung, Präsentation und Geschichte spürbar verbessert. So spricht die Hauptfigur, egal ob man die männliche oder weibliche Variante wählt, fleißig und viel - das gilt für Ingame-Passagen und die Zwischensequenzen, die aus irgendeinem weltfernen Grund mit nur 30 fps laufen. Hauptfigur Dani Rojas ist nicht allein, denn sämtliche Charaktere (Mitstreiter, Guerillas, Antagonisten usw.) reden gerne viel, sagen aber wenig, versuchen dabei jedoch möglichst cool, locker oder hip zu sein - außer der böse Diktator, der tut natürlich "böse Diktator-Dinge" und nutzt ausschweifende Metaphern, um darzulegen, dass er eigentlich nur "das Beste" will und ein höheres Ziel verfolgt. Unterdrückung, Manipulation, Entführung und Massenmord stehen für ihn an der Tagesordnung. Immer wieder gibt es interessante Punkte in der Story und der Spielwelt Yara, die zweifelsohne an Kuba, Castro oder aktuelle Themen erinnern, jedoch sind sie in dem ganzen Action-Bombast nur als Untertöne zu vernehmen - als Beiwerk, das weder genutzt noch ausgebaut wird.
Anschneiden und nicht vertiefen
Laut, leise oder irgendwie beides? Bei den meisten Missionen hat man die Wahl.
Massenmord, Menschenhandel, Gewalt (auch gegenüber Tieren), Suizid, Drogenkonsum, Unterdrückung von Minderheiten, Sucht, Faschismus, Folgen von Revolutionen, Verlust, Verrat und weitere heikle Themen werden irgendwie angeschnitten, nur um sie wenig später mit "fröhlichen" Hahnenkämpfen im Street-Fighter-Stil, gezwungen kumpelhaften Schimpfworttiraden oder Partygelagen zu konterkarieren.
Far Cry 6 weiß nicht, ob es eine ernste und dramatische Geschichte erzählen will oder nur ein bunter bisweilen wilder Tummelplatz mit Freizeitpark-Attitüde sein möchte. Das zeigt ebenfalls die thematische Ausgestaltung der Hauptgebiete, die keiner klaren Linie folgt. Im Westen von Yara wird z.B. eine eher persönliche und tragische Familiengeschichte serviert. Auf der anderen Inselseite sieht das ganz anders aus und mittendrin fährt man Rennen, sucht Schätze oder angelt.
"Bella Ciao"
Dabei zeigt Ubisoft auf der Tutorialinsel, dass sie es eigentlich besser könnten. Nach dem bedrückenden Einstieg stürmt man mit einem Revolutionär eine Plantage des Diktators. Nach dem Ausspähen des Lagers stimmt er das antifaschistische Protestlied "Bella Ciao" (jüngstes Revival in der Serie "Haus des Geldes") an und während man die Plantage niederbrennt und haufenweise Lakaien bekämpft, verwandelt sich der Soundtrack wenig subtil in eine eigene "Bella-Ciao-Version", die sogar die Hauptfigur kurz kommentiert - das ist ungewöhnlich, packend und wird in den späteren Stunden kaum an Intensität wieder erreicht.
Auch die Beziehung zwischen dem Diktaktor und seinem Sohn hätte ausgebaut werden können.
Immerhin wird bei der Überfahrt von der Tutorialinsel zur Hauptinsel zumindest erwähnt, dass nach einer Revolution nicht Friede-Freude-Eierkuchen herrscht und sich mit Interventionen der Gegenseite oft nur eine endlose Gewaltspirale entwickelt. So etwas wird nur kurz angerissen, jedoch nicht ausgeführt oder gar mit einer (politischen) Haltung versehen. Es ist vielmehr so, dass alles im Spiel oberflächlich bleibt und die Konsequenzen der eigenen Handlungen ebenso schnell vergessen sind wie die scharenweise niedergemähten Gegner. Selbst der so hervorragend aufspielende Giancarlo Esposito (Breaking Bad, The Mandalorian) als Diktator Antón Castillo zeigt überraschende Abgründe in seiner Vergangenheit, doch seine etwas zu spärlich eingesetzte Präsenz wird mit Action abgewürgt - und ganz allgemein hätten die Animationen der Figuren, vor allem in den Gesichtern, besser und ausdrucksstärker sein können.
Mehr Freizeitpark als Tour de Force
Ja, abseits dieser Untertöne ist und bleibt es in erster Linie ein "klassisches Far Cry" - ein bunter Open-World-Themenpark mit vielen Aktivitäten und Icons auf der Weltkarte, der nach der typischen Ubisoft-Formel gestrickt wurde. Es erinnert dabei nicht nur an die jüngsten Vorgänger, sondern überraschend stark an
Ghost Recon Breakpoint.