Erinnerung an einen Igel
Ein Klassikerbericht, den ich bislang im schönen 4Players-Archiv vermisst habe, war Sonic the Hedgehog. Also musste ich ihn wohl selbst schreiben. Dabei gäbe es geeignetere Menschen für den Job: Denn ic
h habe mich erst 1999 mit Sonic Adventure in den blauen Igel verguckt, musste seine 16-Bit-Eskapaden demnach im 3D-Zeitalter nachholen. Zudem tat ich mich immer schwer (und tue es noch) mit seinen frühen Abenteuern. Weil sie herausfordernd sind - oder unfair? Weil ich keine Lust aufs Wegesuchen und Auswendiglernen habe - oder weil das Design der Stages doch nicht so geil war? Schon gut, ich schweige - die Geschichte hat gesprochen: Sonic the Hedgehog war ein gigantischer Erfolg, der Millionen von Konsolen verkaufte und einer ganzen Generation von Spielern vergnüglichen Jump’n’Run-Spaß bereitete.
Endkampf: Sonic hüpft in Kugelform auf seinen Erzfeind Dr. Robotnik.
Aber wie kam es eigentlich dazu? Sega war nicht zufrieden mit Alex Kidd, der bis dahin als eine Art Maskottchen für die japanische Videospielfirma fungierte. Ein peppigerer, jüngerer, wilderer Held musste her, um der Konkurrenz aus Kioto mit ihrem Musterknaben Mario den Rang abzulaufen. Im Großen und Ganzen könnte man die Entstehung und Veröffentlichung des ersten Spiels also als extrem gelungenen Marketing-Coup bezeichnen. Kein Zufallstreffer, sondern ein minutiös geplantes Unterfangen, bei dem viele Rädchen ineinandergriffen und ein letztlich formidables Ergebnis hervorbrachten. Daran waren vor allem beteiligt: Naoto Oshima, der die Figur entwarf, Yuji Naka, der als Code-Hexer hauptverantworlich für Sonics Tempo war, sowie eine aggressive Werbekampagne, die den blauen Blitz als coolen Charakter mit Punk-Attitüde inszenierte - und in den USA mit Seitenhieben Richtung Nintendo punktete. Oshimas feister Igel war natürlich nicht der erste Entwurf, doch schnellere Tiere wie Hase oder Känguru wurden rasch verworfen. Auch weil Yuji Naka, ein begnadeter Programmierer, schon zuvor eine Techdemo entworfen hatte, bei der sich Figur rollend durchs Level bewegt hatte, entschied man sich bei Sega letztlich für ein
Tier, das sich zu einer Kugel zusammenrollen konnte. Igel stach Gürteltier, und nach mehreren Iterationen war Sonic fertig.
Schnell & actiongeladen
Ikonischer Look mit geknickten Palmen, Loopings und Gute-Laune-Garantie: Das erste Level des ersten Sonic the Hedgehog ist ein Meilenstein.
Der blaue Igel bekam als Standardgeschwindigkeit Marios Renntempo, zudem konnte er sich zusammenrollen und als springender Ball Gegner attackieren - das machte Sonic the Hedgehog zu einem Spiel, das mit dem Steuerkreuz sowie nur einer Taste spielbar war. Zusammen mit Hirokazu Yasuhara, der hauptverantworlich für das Leveldesign war, bildeten Naka und Oshima den Kern eines siebenköpfigen Teams, dessen klare Mission war, ein Spiel zu entwickeln, das Nintendo in Bedrängnis bringen würde.
Wo wir heute eine Vielzahl von Charakteren im Sonic Universum kennen - von Tails und Knuckles, über Amy und Rouge, bis hin zu Big, Cream oder Mighty - gab es im Erstling nur die Hauptfigur und den Antagonisten Dr. Robotnik (respektive Dr. Eggman, je nach Region). Sonic musste den technikaffinen Schurken besiegen und konnte obendrein niedliche Pixeltierchen befreien, die der Schuft eingesperrt hatte. Dazu fetzte er durch sechs Zonen mit je drei Akten, sammelte Chaos Emeralds in optisch wilden Bonusstages und lieferte sich am Ende jeder Zone ein Scharmützel mit dem promovierten Erzfeind.