Volta feiert Premiere
Ich bin Fußballfan. Ich habe früher sehr gerne in der Halle gespielt. Ich schätze technische Tricks und akrobatische Einlagen. Daher habe ich mich auf Volta gefreut, das das Spiel auf engem Raum im 3 gegen bis 5 gegen 5 inszeniert, all das mit kleineren Toren und dem Einsatz von Begrenzungen, so dass man den Ball auch mal clever über Bande spielen kann. Netzt man so ein, macht das Laune! Zudem geht es ruckzuck hin und her, außerdem fallen Treffer natürlich viel häufiger. Aber Volta hat mich trotz einiger cooler Hallen, Käfige und Außenanlagen ernüchtert.
Es entwickelt gegenüber dem Original auf dem Rasen kaum eigenen Charakter als spektakuläre Alternative. Obwohl einige
Man kann einen männlichen oder weiblichen Straßenfußballer für Volta erstellen.
gute Ideen enthalten sind, wie etwa das Abschirmen in der Defensive, um den Einschusswinkel zu verkürzen, nutzt die KI das so selten, dass das Tor kaum geschützt wird. Immerhin kann man wählen, ob man alle Spieler selbst bewegt oder sich auf seinen Charakter konzentriert, dann kann man das ausgleichen. Manche Tricks sehen zwar gut aus, aber der artistische Funke will angesichts vieler bekannter, teils schwammiger Bewegungen nicht überspringen -
FIFA Street wirkte anno 2012 eigenständiger und interessanter, Volta wirkt wie eine kastrierte Variante des gewöhnlichen FIFA.
"Sicke Skills"
Richtig enttäuschend wird es in der knapp sechsstündigen Karriere mit Story: Abgesehen davon, dass sie erzählerisch und dramaturgisch ohne Entscheidungen nicht mit "The Journey" rund um Alex Hunter mithalten kann, übertreibt es EA so sehr mit aufgesetzter Coolness, Jubel-Flikflaks und Klamotten-Freischaltung, dass man sich fast so fremdschämt wie in
Need for Speed. Sicke Skills? Selfies nach Toren? Ernsthaft? Die Regie wirkt so, als hätte man Spike Lee gezwungen, ein Hip-Hop-Musical
Es wird weltweit in diversen Arenen gekickt.
für Soccer-Spießer zu schreiben. Was an Street Credibility, Trashtalk und Over-the-Top vielleicht zu Basketball & Co passt, wirkt hier wie eine künstlicher Fremdkörper.
Ja, es werden gewisse Beziehungen und Archetypen rund um den oder die Neue aufgebaut, es gibt auch dramatische Zwischenfälle wie die Verletzung des Teamgründers. Aber die Situationen wirken teilweise unglaubwürdig, die Dialoge peinlich. Und ich weiß wirklich nicht, warum ich mich über neue Ringelsocken oder ein Tanktop freuen soll. Immerhin geht es auch sportlich zur Sache, während man mit seinem Team auf Turnieren von Asien bis Afrika, von Europa bis Südamerika unterwegs ist und zwischendurch neue Mitspieler rekrutiert: Man wird in jedem Spiel für gute Aktionen wie Tacklings, Vorlagen und Tore belohnt, so dass sich am Ende eine Gesamtnote ergibt - aber auch hier orientiert man sich weitgehend am bekannten System aus der FIFA-Karriere, anstatt mal etwas Neues anzubieten. Außerdem kann man seine Fähigkeiten in drei Bereichen von der Offensive über die Athletik bis zur Defensive verbessern.
Leider kann die Karriere nicht so überzeuge wie "The Journey".
Warum soll man sich entwickeln? Weil man nur Grundfähigkeiten beherrscht und als sportliches Ziel die Weltmeisterschaft in Brasilien lockt. Aber weder die Charaktere im eigenen Team noch die Spielmechanik sorgen für Vorfreude auf diese lange Reise mit ihrem penetranten Style-Fokus. Zudem sieht man tatsächlich schon in den ersten Matches Klone (!) aus dem eigenen Team (!!) beim Gegner - also markante Charaktere der Story! Hallo? Immerhin darf man sich je nach Location über Kommentare in der jeweiligen Landessprache freuen. Das Beste an Volta ist aber: Man kann die Karriere ignorieren und einfach so kicken. Und EA ist angesichts der aktuellen Debatten über Glücksspiel & Co zumindest so clever, dass Freischalten über virtuelle Währung im Gegensatz zu 2K Games in
NBA2K20 nicht so penetrant in den Vordergrund zu rücken, dass man sich in der Volta-Karriere wie in einem Casino fühlen würde. Man fühlt sich eher wie beim Soccer-Schlussverkauf von H&M: Schieß Tore, probier drei Teile, in sechs Farben - auch geringelt!