Handwerk hat goldenen Boden?
Immerhin muss man beim Sammeln von Rohstoffen im Vergleich zu z.B. Guild Wars 2 keine Ernte-Werkzeuge mit sich führen. Sieht man eine Eisenader oder einen morschen Baum, wird automatisch die Axt oder die Spitzhacke gezückt und ein paar Schläge später kann man die Früchte seiner Arbeit in seinen Rucksack stecken. Dass mein Bankschließfach vor Rohstoffen unterschiedlichster Art überquillt, auch Nahrungsmittel wie Zwiebeln oder Wasser sind dort dutzendfach gelagert, liegt in der Natur der Sache. Immerhin kann ich so dafür sorgen, dass alle meine Spielfiguren die Möglichkeit haben, sich bei Bedarf Ausrüstung oder basierend auf Rezepten auch temporäre Steigerungen der Attribute oder deren Wiederauffüllraten herzustellen.Die Rohstoffe müssen dazu zwar erst in Zehnerbündeln veredelt, also aus Eisenerz z.B. Eisenbarren hergestellt werden.Doch wer will, kann auch als Beute gefundene Waffen verwerten, wobei man dabei mit Glück Veredelungsmaterialien „ernten“ kann.
Das Handwerkssystem ist umfangreich und bietet viele Individualisierungsmöglichkeiten. Leider ist vernünftiger Handel nur innerhalb von Gilden möglich.
Diese wiederum kann man nutzen, um seine Gegenstände in insgesamt fünf Stufen von „normalen“ in „legendäre“ aufzuwerten. Doch dabei ist natürlich Vorsicht angesagt: Je nachdem, wie viele der Veredelungsstoffe man besitzt, steigt die Chance, dass das Vorhaben gelingt.Geht es schief, ist der Gegenstand unwiderbringlich verloren. Wer möchte, kann eine Waffe oder ein Rüstungsteil auch "opfern" und die darin befindliche Eigenschaft erlernen, die man fortan in eigene Gegenstände einpflegen kann.
Hat man im übersichtlichen Handwerksmenü die Art des Gegenstandes, das dafür zu verwendende Material (je mehr man nutzt, desto höher ist die Stufe der Waffe), einen Stil (kostet bestimmte Rohstoffe, wirkt sich nur optisch aus) sowie ggf. eine Eigenschaft gewählt, hält man kurze Zeit später das Objekt der Begierde in der Hand. Doch damit ist die Individualisierung noch nicht vorbei: Zusätzlich kann man so genannte Glyphen, die man ebenfalls als Beute findet, einarbeiten und damit weitere magische Fähigkeiten in die Ausrüstung einarbeiten. Selbstverständlich stehen einem mehr Möglichkeiten zur Verfügung, je höher man in jedem Handwerkszweig im Level aufsteigt – wobei man auch hier in bester Elder-Scrolls-Tradition über das Lesen bestimmter Bücher die Praxis durch Theorie ersetzen kann. Doch man muss einkalkulieren, dass handwerkswütige schließlich bei jeder gefundenen oder von anderen Spielern erworbenen Waffe in einen Gewissenskonflikt geraten: Verwerten, Erforschen oder doch lieber verkaufen, damit man irgendwann die über 40000 Goldis beisammen hat, die die fortgeschrittenen Reittiere kosten? Denn erst dann wird einem bewusst, wie umfangreich, dabei aber sehr übersichtlich sich das Handwerkssystem präsentiert.
Erschwerter Handel?
Die Geschichten und Gebiete, durch die man während der Missionen gelotst wird, verlieren auch nach zig Stunden nicht an Faszination.
Wobei im Gegensatz dazu der Handel in meinen Augen unnötig kompliziert abgewickelt wird. Und damit meine ich nicht die obligatorischen "Gold-Spammer", die mit ihrer nervenden Werbung den Zonen-Chat verstopfen. Denn über ein Add-On oder auch simple Nutzung der Ignorieren-Funktion kann man diesen Nervensägen schnell den Hahn abdrehen. Doch selbst normaler Handel zwischen Spielern lässt sich für gildenfreie Spieler nur im Chat bewerkstelligen. Es gibt kein öffentliches Aktionshaus wie bei Everquest 2, Final Fantasy 11 bzw. Final Fantasy 14. Es gibt keine Möglichkeit, wie in Star Wars Galaxies (wohlige Schauer der Erinnerung rieseln meine Wirbelsäule herunter) in seinem Haus "Händler" aufzubauen, an denen sich interessierte Spieler bedienen können, solange der Vorrat reicht - nicht nur, weil es bislang noch keine Behausungen gibt.
Stattdessen gibt es offiziellen Handel nur für Gildenmitglieder. Da hilft es auch nur wenig, dass man fünf Spielergilden beitreten kann. Denn vielleicht gibt es auch noch andere Spieler wie mich, die selbst auf zwangloses Gilden-Geplänkel keine Lust haben. Und die dürfen beim Handel dann in die Röhre schauen. Oder sich unnötig kompliziertem Chat-Hin-und-Her aussetzen, bei dem die Gesetze hinsichtlich Angebot, Nachfrage und Preis sich im Sekundentakt ändern können. Daher biete ich meine Erzeugnisse gar nicht erst an - oder verkaufe sie zum Schleuderpreis an die NPC-Händler. Oder besser noch: Ich nehme all das, was ich nicht mehr brauche, weil es zu niederstufig ist, wieder auseinander und wende mich den nächsten Missionen zu. Denn, um auf einer positiven Notiz den heutigen Eintrag zu beenden, laufen diese in den Bereichen um Level 20 erzählerisch wieder zur Hochform auf. Man wird Zeuge von Familientragödien, Meutereien und ich hoffe, mich bald mit dem gleichen Fluch auseinandersetzen zu müssen, der auch schon in Skyrim mein Abenteuer-Leben verschönt hat: Ich bin auf der Suche nach Hircines Jüngern...
Zwischenfazit, Teil 3
Es bleibt dabei: Abseits der erzählerischen sowie visuellen Qualität, die zweifelsfrei eines Elder Scrolls würdig ist und auch mit zunehmender Spieldauer nicht nachlässt, schickt mich TESO auch bei Benutzerführung und Handwerk durch ein Wechselbad der Gefühle. Dass ich bei Bedarf sowohl Fähigkeiten als auch Attribute an bestimmten Schreinen verändern kann ist gut. Dass es Gold kostet, ist nicht störend. Dass hier aber ein "Alles-oder-Nichts"-Prinzip angesetzt wird, ist unnötig kompliziert und steht im Gegensatz zum ansonsten benutzerfreundlichen Ansatz. Ähnlich gespalten bin ich beim Crafting-System: Bar jeglicher Beschränkungen kann man mit den entsprechenden Rohstoffen und Geduld seine Handwerksträume in allen Bereichen wahr werden lassen und so seine Figuren zusätzlich stärken und individualisieren. Doch um seine Rüstungen, Waffen oder Nahrungsmittel vernünftig an den Mann oder die Frau bringen zu können, muss man einer Gilde beitreten, da nur hier einigermaßen ordentliche Handels-Utensilien angeboten werden. Oder aber man nutzt wie so viele andere den Chat, bei dem aber kein funktionierendes von Spielern getriebenes Wirtschaftssystem entstehen kann – hier waren und sind andere Online-Rollenspiele weiter. Hinsichtlich Quest- und Erzählstrukturen gibt es weiterhin wenig Grund zur Klage.