In puncto Gegnervielfalt vollbringt Ragnarök keine Wunderdinge, trotzdem ist es immer wieder angenehm, nach einem Kampf gegen sich eingrabende Echsenwesen einen riesigen Ritter mit Schwert zu bekämpfen; und dann vielleicht eine fliegende Zauberin, gefolgt von einem untoten Krieger, der euch mit Bifröst-Angriffen nervt. Klar sichtbare Pfeilmarkierungen warnen vor Angriffen von hinten oder der Seite, dazu kennzeichnen gelbe, rote oder blaue Kreise die Attacken, die Kratos nicht einfach mit seinem Schild wegblocken kann. Bei gelb werdet ihr gestunnt und könnt kurz nicht parieren, bei rot werdet ihr sicher getroffen; blaue Angriffe wären ebenfalls schmerzhaft, doch hier bleibt Kratos ein kurzes Zeitfenster, um den Move per Schild-Schlag zu unterbinden. Und natürlich gibt es nicht nur Standard-Räuber, mittelgroße Sumpfmonster und feurige Draugr, sondern auch richtig große Brocken, die sich in euer Spielegedächtnis einprägen werden. Nicht, weil sie die schwersten Bosse ever sind – meist sind die Fights so fair gestaltet, dass ihr nach ein paar Versuchen den Sieg davontragt –, sondern weil das Kämpfen immer Spaß macht und die Auftritte teils unfassbar gut inszeniert sind.
Waffen, Rüstungen, Moves & Co.
Pfeilschüsse eures Begleiters treffen Feinde, können vielerorts aber auch zur Rätsellösung eingesetzt werden – das sorgt für ein immer wieder erfrischendes Pacing.
Der vielleicht größte Malus des Vorgängers war das umständliche Menü, das viel Einarbeitungszeit erforderte, wenn es um die besten Rüstungen, ums Kaufen und Verkaufen, ums Teile-Vergleichen & Co. ging. Man merkt Ragnarök an, dass sich die Macher die Kritik daran zu Herzen genommen haben. Die Menüs sind weniger kleinteilig und verschachtelt, ihr erkennt schneller, welche Waffe welche Vorteile hat. Zudem ist das System ziemlich komfortabel: Ihr bekommt und kauft nicht nur immer bessere Axtknäufe, Brustschilde oder Gürtel, sondern könnt auch bei euren Lieblingen bleiben und sie beim Schmied bis auf hohe Stufen pushen, wenn ihr genügend Hacksilber und Crafting-Materialien gesammelt habt – gefallen euch Optik und Boni einer bestimmten Rüstung, dann nutzt sie doch weiter. Ein bisschen zu viel wollte Sony Santa Monica aber doch an mancher Stelle: Hier noch ein Amulett und da noch eine "Mod-Marke" für Special Move xy – das hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht.
Denkwürdige Bossfights? Check! Wir zeigen euch absichtlich nicht die Meetings mit Gott X und Figur Y, dafür einen kurzen Blick auf dieses Ungetüm.
Neben "Waffen" und "Rüstung" solltet ihr auch dem Menü-Reiter "Fähigkeiten" regelmäßig einen Besuch abstatten, denn hier verwandelt ihr Erfahrungspunkte von Kratos und Atreus in frische Techniken sowie Nah- und Fernkampf-Moves für Leviathan-Axt, Chaos-Klingen, Bogen & Co. Darunter sind recht banale Erweiterungen, aber auch knifflig auszuführende Aktionen, die Kratos Kampfstil entscheidend beeinflussen können, gerade wenn es um schnelle Angriffe nach dem Ausweichen oder das Werfen der Axt geht. Wer wie ich einigermaßen aufmerksam durch die neun Welten pilgert und ein paar Nebenquests macht, der hat meist genug XP, um auch alle Moves zu kaufen, die das aktuelle Axt- bzw. Chaos-Klingen-Level zulässt. Die beiden Totmacher selbst werden wie Rüstung, Schild & Co. auf dem Amboss von Brok und Sindri hochgelevelt – hier braucht es aber nicht nur Silber und ein paar Erzbrocken, sondern besonders seltene Items, die man nur in bestimmten Momenten des Spiels erhält.
Von Angrboda und Ratatöskr
Mit dem Fantasy-Tiger-Taxi einmal durch die Wüste. Der Sandschlitten ist praktisch zum flotten Herumfahren und erinnert an den Skiff aus Gears 5.
Nachdem Kratos im griechischen Olymp mehrfach aufgeräumt hatte, konnte man bei
Ghost of Sparta, spätestens aber bei
Ascension den Eindruck gewinnen, nur noch mit der B-Riege von Pantheon und Sagenwelt abgespeist zu werden. Bei Ragnarök ist dies ganz klar nicht der Fall, auch weil unbekanntere Figuren mittlerweile so sensationell stark in Szene gesetzt werden, dass man sie sofort spannend findet. Dies ist z. B. bei Angrboda so, jener jungen Frau, die man ganz am Ende des 2021er Story-Trailers zu sehen bekam. Die Riesin, die in der nordischen Mythologie ein besonderes Verhältnis zu Loki hat, ist im Spiel so dermaßen charmant und sympathisch, dass man die Episode in ihrem Gebiet, die Gespräche und die Abenteuer an ihrer Seite einfach nur mit staunendem Mund genießt. Denkt an mich, wenn ihr zu dieser Stelle kommt – ich war einfach nur sprachlos, wie toll das alles gemacht ist. Auch Ratatöskr, das Eichhörnchen des Weltenbaums, hat nun nicht mehr bloß eine Mini-Rolle als Atreus' Specialmove, sondern wird lustig ins Spiel eingebunden und fungiert sogar als Questgeber. Ähnliches gilt für weitere Götter, Göttinnen und Sagenwesen, allen voran die Fabeltiere des Edda-Kosmos, die mit großer Detailverliebtheit in den Verlauf der Geschichte eingewoben wurden.