Groteske Schönheit
Als würde die Dunkelheit über das Licht herrschen statt umgekehrt: Der in Ecken gedrängte Schein schwacher Fackeln erzeugt mehr Unbehagen als Sicherheit auszustrahlen. In der Ferne schleift ein buckeliges Monster, durch die Schatten dicker Pfeiler kaum zu erkennen, seine Kettensäge wie einen Sack Steine hinter sich her. Dass es nicht der einzige Wächter ist, der dort lauert, liegt genauso in der Luft wie das Amen uralter Kirchen.
Und dann öffnen sich die Türen. Groteske Kreaturen brüllen aus allen Richtungen, mit Sprengstoff gefüllte Behälter poltern über den Boden und 20 Zentimeter lange Nägel donnern wie Kanonenkugeln aus einem Schnellfeuergewehr, während sich ein helles Klopfen mit unnachgiebiger Monotonie in meinen Kopf hämmert.
Wenn ich an Quake denke, dann immer zuerst an diese starke Anderswelt, eine von Lovecraft inspirierte Collage aus Fantasy und Science-Fiction. Eine vom Horror verzerrte Romantik, die mich vom ersten Moment an in ihren Bann gezogen hatte.
Tentakel und Türen
Die Umgebung schiebt mich ja nicht an kurzen Höhepunkten vorbei. Vielmehr läuft man in verwinkelten Hallen und Fluren umher, deren Türen man in der Rolle des Einzelkämpfers Ranger erst öffnen muss. Immer wieder gehen dabei versteckte Zellen auf, aus denen angriffslustige Kreaturen treten oder springen. Klappen geben neue Wege frei, Teleporter dienen sowohl Monstern als auch dem Ranger als Transportwege. So lebt die Umgebung auf eine unlogische und banale, gleichzeitig aber ungemein vereinnahmende Weise, weil man relativ lange in einer sich ständig verändernden Kulisse gefangen ist, bevor man endlich den Ausgang erreicht.
Noch schlurft dieser Oger nichtsahnend durch den dunklen Gang...
Das auf wenige Farben reduzierte Artdesign tut sein Übriges. Das ständige Wabern, Kratzen und Stöhnen sowieso. Und die Erzählung gibt hier nur den Rahmen vor, während die eigentliche Bedrohung trotz der ebenfalls bei Lovecraft entliehenen Shub-Niggurath so vage bleibt wie die Schauplätze, an denen man die von der Tentakeldame befohlenen, titelgebenden Quake bekämpft. So hat die Fantasie alle Freiräume, um das verstörende Szenario mit Leben und Schrecklichkeit zu füllen.
"NIN"
Ganz besonders erzeugt dabei der von Nine Inch Nails geschriebene
Soundtrack eine Atmosphäre, die bis heute ihresgleichen sucht. Ob er brütend im Hintergrund lauert, minutenlang an- und abschwillt oder im Menü schon mit wuchtigen Gitarren den Rhythmus vorgibt: Für mich ist diese Musik ähnlich einzigartig wie Akira Yamaokas erstes Silent Hill. Ein ebenso bezaubernder wie verstörender Ausflug in das Reich grotesker Fantasy.
Ihr wollt die auf GOG oder Steam erhältliche Version mit Musik spielen, obwohl das aufgrund der damaligen Vertragsbedingungen nur für auf CD-ROM ausgelieferte Versionen vorgesehen ist? Informationen dazu findet ihr u.a. in entsprechenden Anleitungen auf Steam; wichtig sind
diese und
diese.
Zustande kam diese Kooperation übrigens, weil die Musiker von Nine Inch Nails große Doom-Fans waren – offenbar lieferten sich die Bandmitglieder zwischen den Gigs ausufernde Deathmatch-Partien. Als Frontmann Trent Reznor und id Software irgendwann zusammenkamen, stand einer Zusammenarbeit daher wenig im Weg, wobei Reznor gleich noch das Grunzen des Rangers ein“sprach“ und das Kürzel NIN auf Munitionskisten mit... nun... buchstäblichen Nine Inch Nails gepappt wurde.