von Sören Wetterau,

Bloodlines 2 ist mir verdammt wichtig, aber umso größer ist die Skepsis

Vampire: The Masquerade - Bloodlines 2 (Rollenspiel) von Paradox Interactive
Vampire: The Masquerade - Bloodlines 2 (Rollenspiel) von Paradox Interactive - Bildquelle: Paradox Interactive
Es war für mich eine der besten Ankündigungen von 2019: Vampire: The Masquerade – Bloodlines bekommt über 15 Jahre später endlich eine Fortsetzung. Mit an Bord? Brian Mitsoda, der schon für die Story des ersten Teils maßgeblich verantwortlich war.

Das ist jedoch mittlerweile schon wieder vier Jahre her. Vier Jahre, in den einiges passiert ist: Erst wurde der Release von Bloodlines 2 verschoben, danach das gesamte Entwicklerteam ausgetauscht – inklusive Mitsoda. Im Anschluss sprach Paradox kaum noch über das Rollenspiel, ehe man es nun nach langer Zeit zum zweiten Mal enthüllte. Wird jetzt also alles gut? Nun, ich bleibe (leider) ein gutes Stück skeptisch.

Bloodlines 2 ist mehr als nur ein simpler Nachfolger

Das liegt aber auch an den Umständen, denn Vampire: The Masquerade – Bloodlines 2 ist nicht einfach nur ein Nachfolger, der ein paar Jahre später erscheint. Es ist die Fortsetzung eines der besten Rollenspiele überhaupt, welches mit seiner Atmosphäre, seinen fantastischen Dialogen, den seiner Zeit kreativen Lösungsmöglichkeiten für Quests und einer düsteren, mit schwarzen Humor gesprenkelten Geschichte für immer einen Platz in der Videospielhistorie hat.



Natürlich sollte man dabei nie unter den Tisch kehren: Bloodlines ist 2004 in einem absolut desaströsen Zustand erschienen. Es war schlicht unfertig, verbuggt und für nicht gerade wenige Spieler sogar unspielbar. Eine Vielzahl von sogenannten Plotstoppern sorgten dafür, dass manche Quests unlösbar waren oder Bugs gleich ganze Spielstände in den Abgrund rissen, und später auch Entwickler Troika Games selbst. Die Vampire von Bloodlines waren am Ende das Highlight des Entwicklerstudios und zugleich dessen Untergang.

Treue Fans hielt das aber nicht davon ab, das Rollenspiel in den Folgejahren Stück für Stück auf eigene Faust zu verbessern. Bis heute, also gut 19 Jahre nach dem Release, erscheinen immer noch Fan-Patches, die Bugs beheben, entfernte Inhalte zurückbringen und Bloodlines auf modernen Systemen lauffähig halten. Über all die Jahre hat sich um Troikas finales Spiel ein regelrechter Kulthype gebildet – völlig zurecht, möchte ich anmerken.

Kann man daran anknüpfen?

Die Erwartungshaltung an einen Nachfolger ist dementsprechend genauso groß wie die Skepsis, und das war sie schon 2019 bei der Erstankündigung. Immerhin steht der Name Paradox bislang eher für vielschichtige, sehr komplexe Strategiespiele, während das damals zuständige Entwicklerteam Hardsuit Labs zuvor gerade einmal den Free2Play-Shooter Blacklight: Retribution veröffentlicht hat. Die sollen also nun den zweiten Teil von Vampire: The Masquerade – Bloodlines produzieren?

Vom "originalen" Bloodlines 2 ist zumindest Seattle als Handlungsort geblieben.
Vom "originalen" Bloodlines 2 ist zumindest Seattle als Handlungsort geblieben.

Die einzige Hoffnung war damals die Involvierung von Brian Mitsoda, der schon bei Troika federführend an der Geschichte beteiligt war. Er habe jahrelang für einen zweiten Vampires-Teil gekämpft, wie er später in einem Interview gegenüber den englischsprachigen Kollegen von RockPaperShotgun offenbarte. Seine Entlassung, zusammen mit dem Creative Director Ka'ai Cluney, habe ihn wie einen Schock getroffen. Was genau hinter den Kulissen passiert ist, blieb aber im Unklaren, ebenso wie lange Zeit die Zukunft des Rollenspiels.

Mittlerweile wissen wir: Paradox war nach dem Rauswurf von Hardsuit Labs nicht untätig, sondern hat mit The Chinese Room ein neues Entwicklerstudio gefunden. Die haben immerhin schon Erfahrungen mit storylastigen Spielen gesammelt, darunter Everybody's Gone to the Rapture und Amnesia: A Machine for Pigs. Doch ob das Team tatsächlich einen Brocken wie ein Bloodlines 2 schafft, welches auch spielmechanisch viel mehr als Herumwandern in einer Spielwelt liefern muss, bleibt abzuwarten. Das bisher gezeigte Material lässt zwei Stimmen in mir zu: Die eine ist etwas positiver gestimmt, während die etwas griesgrämerigere glaubt, dass hier nicht das Vampir-Rollenspiel entsteht, was die Fans verdient haben. Einerseits weil das kaum möglich scheint, andererseits weil schon jetzt Entscheidungen durchblicken, die mich noch nicht überzeugen.

Ein erfahrener Vampir mit Gedächtnisschwund?

Doch man soll ja bekanntlich immer erst mit dem Positiven anfangen: Den Trailer zur Neuankündigung fand ich insgesamt recht stimmig, bringt er doch von der Optik das düstere Seattle zur Abendzeit gut rüber. Die Szenen sind rein technisch zwar nicht State of the Art, aber als hübsch würde ich sie dennoch bezeichnen. Zudem bis zum geplanten Release im vierten Quartal 2024 in Sachen Lichtstimmung und Texturen noch hier und da etwas passieren kann. Das gilt ebenso für das Kampfsystem, welches sich aber nur schwer beurteilen lässt. Es sieht zumindest sehr action- und nahkampflastig aus. Schusswaffen sind beim eigenen Charakter bisher offenbar Fehlanzeige.

Was aus dem Trailer nur bedingt, aber aus dem PR-Material stärker hervorgeht: Die Geschichte wurde aller Voraussicht nach stark umgeschrieben. Wie viel von der einstigen Schöpfung Mitsodas noch übrig ist? Das wird erst die Zeit zeigen, aber die Grundlage ist auf jeden Fall eine andere. Eigentlich sollte euch Bloodlines 2 die Kontrolle über einen Charakter geben, der sich gerade erst in einen Vampir verwandelt hat, wodurch ihr entsprechend zu Beginn eher schwächlich seid. In der jetzigen Fassung wird man aber einen älteren Vampir übernehmen, der sich zuvor eine sehr lange Zeit im Tiefschlaf befand. Das alleine macht in der Vorlage World of Darkness bereits einen riesigen Unterschied.

Im Dunkeln ist gut Munkeln, weshalb Schleichen in Bloodlines 2 mit dazu gehört.
Im Dunkeln ist gut Munkeln, weshalb Schleichen in Bloodlines 2 mit dazu gehört.

Junge Vampire sind nämlich so etwas wie die Küken: Sie müssen erst in die Gesellschaft integriert werden, ihren eigenen Platz finden. Sogenannte "Elder Vampire" sind hingegen schon mehrere Jahrhunderte alt und in der Regel dementsprechend mächtig. Doch ob man in Bloodlines 2 tatsächlich schon zu Beginn einen solch mächtigen Vampir spielen kann, ist durchaus fraglich. Vermutlich wird man eine Begründung liefern, etwa ein extremer Blutdurst nach dem langen Schlaf oder, dass so viel Zeit vergangen ist, dass die Welt jetzt eine andere ist, ergo muss man seine alten Fähigkeiten erst wieder freischalten.

Narrativ sehe ich hingegen ein paar größere Hürden: Ein älterer Vampir würde unter keinen Umständen Quests annehmen, die ihn von A nach B schicken oder ein paar Zwistigkeiten unter neuen Vampiren lösen. Stattdessen würde es mehr oder weniger sofort um große Macht, Herrschaft über Gebiete und klare Ansagen gehen. Also Dinge, die sonst in einem Rollenspiel eher erst im Finale folgen, wenn überhaupt. In der Hinsicht bin ich also sehr gespannt darauf, wie The Chinese Room diese Schwierigkeiten meistert und vor allem wie man spannende Quests gestaltet. Möglichkeiten gibt natürlich einige und sei es, dass man einen Teil der Geschichte rund um die Heimsuchung gestaltet. Eine Art Ruf, der ältere Vampire betrifft und sie von ihrer Heimat wegzieht, wodurch automatisch der Platz für Jüngere geschaffen wird. Was ist, wenn der eigene Vampir nicht davon betroffen ist und welche Auswirkungen hätte dies auf das vorherrschende Machtverhältnis?

Abwarten und Blut schlürfen

Natürlich ist das bislang alles nur Spekulation, denn sowohl Paradox als auch The Chinese Room halten sich mit Infos sehr bedeckt. Eine ausführliche Gameplay-Präsentation ist für Januar 2024 angekündigt. Ich hoffe, dass es dann mehr als nur Kämpfe zu zeigen gibt und man die aktuelle Befürchtung, dass Bloodlines 2 zu actionlastig und linear wird, etwas entkräften kann. Schließlich muss man nicht permanent das Adrenalin auf Maximum halten, um Erfolg zu haben, wie zuletzt ein Baldur's Gate 3 oder ein Starfield bewiesen haben.

Ich glaube nicht, dass man in dieser Bar ein frisches Blutiges bekommt...
Ich glaube nicht, dass man in dieser Bar ein frisches Blutiges bekommt...

Bis dahin heißt es zurücklehnen, eine Flasche Blut aufmachen und die Tage genießen. Und immerhin: Ein Entwicklerwechsel muss ja nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Selbst ein Dead Island 2 hat nach Jahren in der Entwicklungshölle irgendwie noch den Releaseprung schafft und wurde immerhin ein solider, unterhaltsamer Zombieschnetzler.
Quelle: Mod DB, RockPaperShotgun, YouTube / World of Darkness

Kommentare

ray2077 schrieb am
Kajetan hat geschrieben: ?10.09.2023 11:02
ray2077 hat geschrieben: ?10.09.2023 10:26 Simple Meinung? Jede Meinung hat ihre Berechtigung, auch wenn sie an dem Game nichts ändert...Auch wenn es dich nicht stört, hat das keine Relevanz, sondern die Meinungen aller. Viele Meinungen haben sehr wohl Einfluss auf Entwickler und deren zukünftige Projekte. Wenn viele simple Meinungen an der Überzahl sind, wird deine in den Hintergrund rücken, aber das wirst nicht du prognostizieren...
Irrelvant im Rahmen dieser Diskussion. Es geht hier um die angebliche Unprofessionalität der 4P-Redakteure, nicht um mögliche Einflüsse auf die Spieleentwicklung durch öffentlichen Druck auf den Entwickler. Druck, der übrigens in der Regel nicht zu besseren, meist nur zu schlechteren Spielen führt, den Spieleentwicklung ist KEINE Demokratie, sondern idealerweise eine moderate Diktatur.
Moderne Diktatur ?? nun ist halt deine Meinung, nur eine Meinung. Bessere Leistungen erreicht man nur durch Druck, Druck heißt nicht gleich Sklaverei.
Es gibt Entwickler machen Riesenkohle mit schlechter Arbeit und verlangen die selbe Kohle, das geht nur wenn Leute das so hinnehmen.
Ein öffentlicher Druck bei Unzufriedenheit, hat nichts mit einer Diktatur zu tun. Eine Diktatur hat einer der das Sagen hat.
Diktatorisch ist es hingegen, etwas hinnehmen zu müssen ohne sic dagegen wehren zu können.
Bei der vielen Verarsche die auf den Markt kommt, muss der Unzufriedenheit Ausdruck verleiht werden und Druck ausgeübt werden.
Die Leute bezahlen gutes erarbeitetes Geld dafür und haben das Recht auf ein gutes Produkt.
Wenn man sich nicht dagegen wehrt, und die Leute alles hinnehmen, ist die Reaktion so mancher Entwickler jene - die Leute Fressens eh, also warum anstrengen.
Kajetan schrieb am
mk4play hat geschrieben: ?12.09.2023 14:59 Ich kenne noch von damals die Divinity Spiele (von 2001 oder so), die waren mal in so einer Spielesammlung (Golden Games glaube ich). Als dann Divinity Orignial Sin raus kam, dachte ich: "Das kann nichts mit dem Schrottspiel 'Divinity' zusammen hängen und das kann nicht vom gleichen Studio sein!"
Insofern bin ich da schon von Larian beeindruckt und würde denen alles (positive) zutrauen.
Divine Divinity ist weiterhin (!) die Art von Action-RPG, von der ich mir wünschte Blizzard hätte sie für Diablo 2 eingeschlagen. Für Solo-Spieler ist es IMHO das bessere Spiel.
Ansonsten ... man sollte wirklich damit aufhören den Entwickler des jeweils hochgefeierten Jahrestitels als Lösung für alle Probleme zu betrachten. Swen Vincke sagt selbst, dass er sich nicht sicher ist, ob man so etwas wie BG3 wiederholen können wird. Weil alles richtig zusammenkam. Viele Faktoren, auf die Larian überhaupt keinen Einfluss hat, haben allesamt zu ihren Gunsten gewirkt.
Cytasis schrieb am
Kajetan hat geschrieben: ?12.09.2023 10:27
mk4play hat geschrieben: ?11.09.2023 15:32 Ansonsten finde ich in der Kolumne nichts, worüber man als normaler Leser knurren könnte.
Bist halt kein professioneller Leser :mrgreen:
Man muss ja auch nicht unbedingt professionell Musik machen können, um zu erkennen wie Murks sie eigentlich ist :Blauesauge:
mk4play schrieb am
greyparser hat geschrieben: ?12.09.2023 09:16 Halte ich für einen Trugschluss, unter Larian würde die Reihe jegliche Identität verlieren und zu einem Divinity Original Sin 4 werden. BG3 hat nur funktioniert weil es eine gewisse Themennähe gab, obwohl auch unter diesen Umständen das Spiel eine Menge Gefplogenheiten der alten Spiele ignoriert hat, für ihre typischen infantilen Slapstick und Sex- Witze und ganz vielen sprechenden süßen Tieren.
Larian ist ein One-Trick Pony, die können nicht mehr als immer nur die selbe Art von Spiel zu machen.
Kann sein, ich bin in der Baldurs Gate Lore nicht drin. Wenn ich mir aber anschaue, wie viel Mühe Larian in BG3 gesteckt hat, bin ich der Meinung, dass ein Bloodlines 2 nur ein Erfolg werden kann, wenn da ähnlich viel Mühe investiert wird.
Ich kenne noch von damals die Divinity Spiele (von 2001 oder so), die waren mal in so einer Spielesammlung (Golden Games glaube ich). Als dann Divinity Orignial Sin raus kam, dachte ich: "Das kann nichts mit dem Schrottspiel 'Divinity' zusammen hängen und das kann nicht vom gleichen Studio sein!"
Insofern bin ich da schon von Larian beeindruckt und würde denen alles (positive) zutrauen.
Kajetan schrieb am
mk4play hat geschrieben: ?11.09.2023 15:32 Ansonsten finde ich in der Kolumne nichts, worüber man als normaler Leser knurren könnte.
Bist halt kein professioneller Leser :mrgreen:
schrieb am