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Spielkultur | Special | 4Sceners

01.05.12, 00:01 Uhr, Bobic

Über einen Ausnahmekünstler wie 4-mat sollte man eigentlich keine Erklärungen mehr abgeben müssen. Warum wir es dennoch tun? Weil wir für euch Wenige da draussen, die bislang noch nichts von der britischen Musikerlegende gehört haben, einfach den roten Teppich für ihn ausrollen müssen. Denn 4-mat hat soeben sein neues Album "Origins" unters Volk geworfen.

Nun, 4-mat heißt mit bürgerlichem Namen Matthew Simmonds, gab seinen Einstand in der (Amiga-) Demoszene Ende der 1980er Jahre bei Gruppen wie Anarchy und schaffte schon nach kurzer Zeit den Einstieg in die Games-Branche. Vor allem für Core Design komponierte er viele Spielemusiken (CarVup, Chuck Rock, etc.), arbeitete aber auch schon für Psygnosis (Leander) oder Codemasters (Dizzy - Prince of the Yolkfolk). Für letztgenannten Arbeitgeber war er unter anderem auch in den letzten Jahren aktiv und vertonte beispielsweise das witzige Fantasy-Spektakel Overlord: Dark Legend. In der Demoszene gab er immer wieder beeindruckende Gastspiele, so wie etwa beim wunderschönen Intro Pirates of the 777 Seas, sowie den beiden 64k Intros für die Demogruppe Ate Bit, Transform und The Hungarian Gambit. Sein Chipmusik-Album Decades war für uns sogar das beste kommerzielle Album des Jahres 2010 eines Demoszeners. Mittlerweile ist diese Perle der elektronischen Musik kostenlos verfügbar.


Doch genug der Vorrede. Kommen wir zum Kernthema dieses Berichts, dem neuen Album "Origins" von 4-mat. Zum aktuellen Zeitpunkt ist auch dieses noch äußerst günstig zu haben - dank der bekannten "Pay what you want"-Methode von Bandcamp. Man zahlt also genau den Preis, den man dafür auch ausgeben möchte. Allzu geizig sollte man beim Eintippen der Zahlen aber nicht sein, denn auch "Origins" ist wieder ein ganz, ganz starkes modernes Chiptune-Album geworden, auch wenn dieses Mal keine absoluten Sensationstitel wie auf "Decades" vorzufinden sind ("1989" oder "Paper Dolls" sollen als Beispiel genügen). 4-mat schafft es aber bereits mit dem siebenminütigen Opener "Oblique" eine ungeheuer dichte Atmosphäre aufzubauen und den Zuhörer in seine persönliche Retro-Welt zu entführen. Hört man zu Beginn nur das Knistern einer Schallplatte, gesellen sich schon nach kurzer Zeit unheilschwangere Töne hinzu. Es dauert ein wenig, bis der Track sein volles Aroma entfaltet. Nach und nach gesellen sich immer mehr Instrumente hinzu, bis nach rund vier Minuten die ersten melodiösen Chip-Fanfaren einsetzen, die in den letzten 90 Sekunden ein wahres Pop-Inferno entfachen. Man ist gebannt, gefesselt, gehyped. Ein spektakulärer Auftakt!

Was folgt ist ein Musterbeispiel für technisch perfekten Chip-Groove (Titel: "Tetra"), der das beste aus beiden Welten, nämlich Oldskool und Newskool, vereint. Wir hören tolle Drum-Soli, Power-Synths und fantastische Arrangements, die immer wieder mit den liebgewonnen, alten Piepston-Klängen veredelt werden. Mit "Impasse" wird es dann wieder ruhiger, weniger Beat-lastig. Im herrlichen Melodienrausch verlieren wir uns, gleiten auf einer Dance-Welle dahin, aus deren herzerwärmenden Strudel wir nur schwer wieder entkommen können. Track Nr. 4, "Spun Gold", wird dann wieder ganz lautes Synth-Pop-Geballer. Nicht zu schnell, nicht zu langsam und erneut astrein arrangiert. Der namensgebende Titeltrack "Origins" folgt auf dem Fuß und reiht sich perfekt in das bisher gehörte hinein. Simmonds beweist auch hier, nach rund 25 Jahren in der Computermusik-Ecke, sein Gespür für Melodie und dass ihm die Ideen nie auszugehen scheinen. Auch Origins entpuppt sich als perfekte Synthpop-Hymne, die mit 2.20min leider viel zu schnell vorbei ist.

Ein erstes Fazit lässt sich nach Hören der ersten Lieder bereits ziehen. 4-mat ist, obwohl er immer wieder typische Chiptune-Töne verwendet, auf der Höhe der Zeit. Mit kraftvollen Sounds peppt er die klassischen Klangwelten gehörig auf. Seine Stücke klingen mächtiger, impulsiver, technisch hochklassiger als je zuvor. Und dennoch wissen wir genau, dass hier Musik von echtem "4-mat" vor uns liegt.

Eine interessante Mischung gibt es mit dem sechsten Stück zu hören. "Ruling / Broken Wave" lässt schon bei der Namensschreibweise erahnen, dass es sich hier anscheinend um zwei grundverschiedene Songs handelt. Während sich Ruling als ohrwurmverdächtige Sinewave-Praline entpuppt, wird es ab 1.48min Laufzeit ein klein wenig düsterer, behält aber dennoch eine hübsche Melodie bei. Zumindest in den ersten Sekunden klanglich ein wenig vom typischen 4-mat-Chiptune-Sound ableitend präsentiert sich das nächste Stück namens "A M I G A". Hier klingt alles ein wenig mehr nach Octamed und Co., also den Ende der 1980er Jahre bekannten Trackerprogrammen für den Amiga, den Kultrechner von Commodore. Eine willkommene Abwechslung und vermultich zugleich eine Huldigung an das Gerät, auf welchem 4-mat seinen Durchbruch schaffte.

Einziger Aussetzer auf "Origins": Das achte Lied namens "Voicemail", was nur aus ein paar Sprachsamples besteht und nicht mehr als ein Lückenfüller zu sein scheint. Dafür entschädigt der darauffolgende Track umso mehr. Mit "Endless" hören wir das vielleicht beste Stück dieses Albums. Matt Simmonds nimmt uns hier mit auf eine endlos scheinende Traumreise, deren Wolkenteppich aus melodischen Noten geformt zu sein scheint. Immer wieder katapultiert uns glitzernder Sternenstaub hinaus in das wundervolle Universum, wobei wir stets sanft auf dem weichen, kuscheligen Untergrund zurückkehren. Traumhaft schön!

Nach all den instrumentalen Ausflügen in elektronische Gefilde, folgt mit dem abschließenden "Strobelights / Origins (Reprise)" sogar noch ein Stück mit Gesang. Wie schon bei "Impasse" so verschlägt es den Briten auch hier wieder mehr in Richtung Club-tauglicher Musik. Doch 4-mat wäre nicht er selbst, wenn auch hier keine pumpenden Synthsounds zu hören wären, welche die richtige Prise Retro einstreuen. Was den Gesang angeht, so passt dieser. Gesanglich bessere Stimmen haben wir allerdings auch schon gehört. Etwa ab der Mitte wiederholt sich dann das Origins-Thema und leitet ein wenig ruhiger das pompöse Drums-Finale ein.

4-mat beweist also auch mit Origins, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Er bereichert die Chipmusik-Szene nach wie vor, lehrt sie die Kunst der Melodie und des technisch perfekten Arrangements. Wo andere Beep- und Bleep-Künstler leer oder gar chaotisch wirken, vermischt er Alt und Neu auf perfekte Art und Weise. Sein 2010er-Album "Decades" mag die besseren Einzeltitel gehabt haben, "Origins" wirkt in sich geschlossen und fasziniert vom ersten Moment an. Danke, alter Knabe!




Track-List:

1. Oblique 07:05
2. Tetra 04:17
3. Impasse 04:08
4. Spun Gold 02:47
5. Origins 02:20
6. Ruling / Broken Wave 02:58
7. A M I G A 02:53
8. Voicemail 00:48
9. Endless 03:24
10. Strobelights / Origins (reprise) 05:54

Released 30 April 2012
All music composed by 4mat.
Vocals on "Voicemail" and "Strobelights" by George Ashdown.

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