Starke Frauen
Ellie und Dina sind toughe, willensstarke Frauen: Sie kennen nur diese harte Realität, sie können kämpfen und töten - ohne Skrupel, und zwar reihenweise. Auch das ist ein frischer Perspektivwechsel! Ja, eine Lara Croft trieb den Bodycount schon in die Höhe, aber viel sauberer. Einige Reaktionen haben gezeigt, dass Naughty Dog für einige ein Tabu bricht, denn Frauen traut man(n), trotz einiger prominenter Beispiele von den Amazonen über Boudicca bis Jeanne d'Arc, in der Regel nicht diese Rolle zu, vor allem nicht das brutale Killen. In modernen Armeen sind zwar auch Soldatinnen aktiv, aber meist im Bereich Unterstützung oder auf Offiziersebene. Nach dem Palästinakrieg hat Israel z.B. Frauen von Kampfeinheiten ausgeschlossen, mittlerweile ist der Kampfeinsatz aber freiwillig möglich. Und in den USA können Frauen in fast allen Kampfeinheiten bis hin zum Marine Corps dienen - allerdings stellen sie dort unter zehn Prozent.
Naughty Dog idealisiert die Kampfkraft der beiden natürlich. Aber erstens ist das ein Action-Adventure und keine Armee-Simulation, zweitens wurde sie in all den Jahren zuvor auch bei allen männlichen Helden idealisiert, die zu Rambo mutieren durften. Während Ellie und Dina unterwegs sind, lernt man sie in Dialogen besser kennen und setzt zunächst wenige Waffen sowie Taktiken ein: Dabei geht es erneut um cleveres Agieren, um Deckung und Ablenkung, um leise Kills. Aber es geht auch um explosive Eskalation mit Schrot oder blutige Klopperei, für die das rechtzeitige Ausweichen unabdingbar und das Ablenken per Wurf ins Gesicht überaus nützlich ist - denn dann reicht meist ein Schlag. Sowohl der Nahkampf, das Ballern als auch das Schleichen fühlen sich jedenfalls klasse an, weil man auch mal wegrennen muss und es immer um Details geht.
Ellie und Dina sind toughe Frauen, die zusammen auf Patrouille gehen.
Zwar sind die Clicker z.B. blind, aber wenn man den Analogstick nur etwas zu stark beim Schleichen nach vorne drückt, hören sie einen. Dann schlurfen sie heran oder versuchen Ellie per Schallortung zu finden. Man muss sich von hinten anschleichen oder sie per Flaschenwurf gezielt in eine Position für einen Stealth-Kill per Messer bringen. Schafft man das nicht, hat man gegen ihre wuchtigen Sturmangriffe kaum eine Chance! Es gibt übrigens auch fettere Monster, die man eher mit Feuer und Schrot bearbeitet sowie einige kleine und große Bosskämpfe gegen groteske Wesen, die auch in
Resident Evil 7 vorkommen könnten. Dazu gehören übrigens auch panische Fluchtszenen, in denen es unter Hochspannung nur darum geht, irgendwie zu entkommen.
Survival-Horror deluxe
Viele Situationen, vor allem wenn man angesichts der Sporen die Atemmasken aufsetzen muss, sorgen für Survival-Horror-Flair mit unheimlicher Geräuschkulisse. Gerade in den labyrinthischen Gebäuden, in denen man die Beine auch deshalb gerne in die Hand nimmt, weil da fiese, überaus agile Kreaturen im Dunkeln lauern, die einem trotz Schrotflinte und Molotow-Cocktail so richtig Angst einjagen können. Denn sie sind Jäger, die davon huschen und listig um die Ecke schauen, bevor sie sich kreischend auf Ellie stürzen. Und man kann sie nicht so einfach über Geräusche anlocken wie die "dummen" Clicker oder Runner.
Die Partner verhalten sich angenehm autark, geben Hinweise und kämpfen mit.
Aber Naughty Dog geht noch weiter, denn sie greifen vielleicht an, wenn man gerade über eine Planke balanciert. Sie verstecken sich sogar in Wänden voller Pilzbefall: Man muss genau hinsehen, auf ihre Köpfe und Krallen achten. Man kann sie vorsichtig umgehen, aber wenn man zu nah heran kommt oder zu laut ist, brechen sie wie eine monströse, zur Kreatur gewordene Pilzplastik hervor.
Der Regie gelingt es dabei hervorragend, die Spannung über subtile Reize von der bizarren Schmiererei an der Wand über seltsame Geräusche und das Einsetzen der Mollakkorde langsam aufzubauen. Selbst in den Rückblicken, die Sicherheit versprechen, weil man vielleicht jünger ist oder keine Waffen hat, können Situationen hin zur gefühlten Angst eskalieren, die sich plötzlich wieder verabschiedet. Und auch die Aussicht auf einen Bogen wird sehr gut vorbereitet, indem man den Spieler stückweise ködert und eine Nebenstory daraus macht: Erst findet Ellie einige Leichen mit Pfeilen, dann Notizen über einen Sportschützen namens Boris, darauf eine Trophäe in einem Keller, weitere Leichen und biografische Fakten...aber wo zur Hölle ist der Bogen?