Test: The Last of Us Part 2 (Action-Adventure)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Sony
Release:
19.06.2020
19.01.2024
Erhältlich: Digital (PSN), Einzelhandel
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ab 29,90€
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Starke Frauen

Ellie und Dina sind toughe, willensstarke Frauen: Sie kennen nur diese harte Realität, sie können kämpfen und töten - ohne Skrupel, und zwar reihenweise. Auch das ist ein frischer Perspektivwechsel! Ja, eine Lara Croft trieb den Bodycount schon in die Höhe, aber viel sauberer. Einige Reaktionen haben gezeigt, dass Naughty Dog für einige ein Tabu bricht, denn Frauen traut man(n), trotz einiger prominenter Beispiele von den Amazonen über Boudicca bis  Jeanne d'Arc, in der Regel nicht diese Rolle zu, vor allem nicht das brutale Killen. In modernen Armeen sind zwar auch Soldatinnen aktiv, aber meist im Bereich Unterstützung oder auf Offiziersebene. Nach dem Palästinakrieg hat Israel z.B. Frauen von Kampfeinheiten ausgeschlossen, mittlerweile ist der Kampfeinsatz aber freiwillig möglich. Und in den USA können Frauen in fast allen Kampfeinheiten bis hin zum Marine Corps dienen - allerdings stellen sie dort unter zehn Prozent.

Naughty Dog idealisiert die Kampfkraft der beiden natürlich. Aber erstens ist das ein Action-Adventure und keine Armee-Simulation, zweitens wurde sie in all den Jahren zuvor auch bei allen männlichen Helden idealisiert, die zu Rambo mutieren durften. Während Ellie und Dina unterwegs sind, lernt man sie in Dialogen besser kennen und setzt zunächst wenige Waffen sowie Taktiken ein: Dabei geht es erneut um cleveres Agieren, um Deckung und Ablenkung, um leise Kills. Aber es geht auch um explosive Eskalation mit Schrot oder blutige Klopperei, für die das rechtzeitige Ausweichen unabdingbar und das Ablenken per Wurf ins Gesicht überaus nützlich ist - denn dann reicht meist ein Schlag. Sowohl der Nahkampf, das Ballern als auch das Schleichen fühlen sich jedenfalls klasse an, weil man auch mal wegrennen muss und es immer um Details geht.

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Ellie und Dina sind toughe Frauen, die zusammen auf Patrouille gehen.
Zwar sind die Clicker z.B. blind, aber wenn man den Analogstick nur etwas zu stark beim Schleichen nach vorne drückt, hören sie einen. Dann schlurfen sie heran oder versuchen Ellie per Schallortung zu finden. Man muss sich von hinten anschleichen oder sie per Flaschenwurf gezielt in eine Position für einen Stealth-Kill per Messer bringen. Schafft man das nicht, hat man gegen ihre wuchtigen Sturmangriffe kaum eine Chance! Es gibt übrigens auch fettere Monster, die man eher mit Feuer und Schrot bearbeitet sowie einige kleine und große Bosskämpfe gegen groteske Wesen, die auch in Resident Evil 7 vorkommen könnten. Dazu gehören übrigens auch panische Fluchtszenen, in denen es unter Hochspannung nur darum geht, irgendwie zu entkommen.

Survival-Horror deluxe

Viele Situationen, vor allem wenn man angesichts der Sporen die Atemmasken aufsetzen muss, sorgen für Survival-Horror-Flair mit unheimlicher Geräuschkulisse. Gerade in den labyrinthischen Gebäuden, in denen man die Beine auch deshalb gerne in die Hand nimmt, weil da fiese, überaus agile Kreaturen im Dunkeln lauern, die einem trotz Schrotflinte und Molotow-Cocktail so richtig Angst einjagen können. Denn sie sind Jäger, die davon huschen und listig um die Ecke schauen, bevor sie sich kreischend auf Ellie stürzen. Und man kann sie nicht so einfach über Geräusche anlocken wie die "dummen" Clicker oder Runner.

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Die Partner verhalten sich angenehm autark, geben Hinweise und kämpfen mit.
Aber Naughty Dog geht noch weiter, denn sie greifen vielleicht an, wenn man gerade über eine Planke balanciert. Sie verstecken sich sogar in Wänden voller Pilzbefall: Man muss genau hinsehen, auf ihre Köpfe und Krallen achten. Man kann sie vorsichtig umgehen, aber wenn man zu nah heran kommt oder zu laut ist, brechen sie wie eine monströse, zur Kreatur gewordene Pilzplastik hervor.

Der Regie gelingt es dabei hervorragend, die Spannung über subtile Reize von der bizarren Schmiererei an der Wand über seltsame Geräusche und das Einsetzen der Mollakkorde langsam aufzubauen. Selbst in den Rückblicken, die Sicherheit versprechen, weil man vielleicht jünger ist oder keine Waffen hat, können Situationen hin zur gefühlten Angst eskalieren, die sich plötzlich wieder verabschiedet. Und auch die Aussicht auf einen Bogen wird sehr gut vorbereitet, indem man den Spieler stückweise ködert und eine Nebenstory daraus macht: Erst findet Ellie einige Leichen mit Pfeilen, dann Notizen über einen Sportschützen namens Boris, darauf eine Trophäe in einem Keller, weitere Leichen und biografische Fakten...aber wo zur Hölle ist der Bogen?

Kommentare

PlayerDeluxe schrieb am
Hab das Spiel mittlerweile ein zweites Mal durchgespielt - diesmal mit fluffigen 60 FPS, aktivierten Cheats und deaktivierter Filmkörnung auf der PS5. :) Hat mir erneut Spaß gemacht - mit dem Abstand von mehr als zwei Jahren nach dem ersten Durchgang. Hab mir zudem noch die letzten fehlenden Artefakte und Sammelkarten geschnappt und somit seit gestern die Platin-Trophäe geangelt. Einige von den Collectibles hätte ich ohne die sehr hilfreichen YT-Videos zu dem Thema niemals alleine gefunden. Grafisch befindet sich das Spiel immer noch auf sehr hohem Niveau. Bei dem jüngst aufpolierten Part I hat sich in Sachen Mienenspiel aber merklich nochmal was getan. Auf dem Level befindet sich Part II nicht komplett. Trotzdem wären einige aktuelle Spiele der Konkurrenz froh, wenn sie nur ansatzweise so aussehen würden wie Part II. Spiele der PlayStation-Studios haben mich bisher selten enttäuscht. Nächster Kracher von dieser oder ähnlicher Qualität dürfte dann God of War Ragnarök sein...
Ultimatix schrieb am
Das Game wurde schlechter bewertet als Death Stranding. Ja nee, ist klar :lol:
MrLove schrieb am
Josch hat geschrieben: ?12.06.2020 09:38 Jörg, ich habe mal viel gegeben auf deine Tests, gerade weil ich das Gefühl hatte, dass etwaige Hypes oder Shitstorms an dir abgeprallt sind und du einfach dein Ding durchgezogen hast. Mittlerweile muss ich aber davon ausgehen, dass du entweder den Spaß am Gaming verloren hast oder einfach nur gekauft bist.
Die politische Agenda und überhaupt der politisch motivierte Bullshit, der einem seit Jahren von ND aufgetischt wird, frisst sich so tief in ihre Spiele, dass diese für einen halbwegs klar denkenden Menschen kaum mehr erträglich sind. Und die Leaks vor einigen Wochen haben dahingehend genug Einblick geliefert, als dass man TLoU2 als Kulmination dieser Bewegung betrachten darf. Überhaupt stößt mich dieses menschenverachtende Bild, dass Naughty Dog hier zeichnet, nur mehr ab. Wenn diese Art des Story-telling "differenziert" sein soll, dann würde ich Dark Souls als Komödie bezeichnen, das ergibt ungefähr genauso viel Sinn.
Sorry für diesen kleinen Rant, aber diese Entwicklung wider mich mittlerweile doch an.

Da investiert man so viel Zeit, so viel Analyse in einen Test und muss sich anhören, dass man gekauft ist. Wie respektlos kann man sein? Unsere Forenrichtlinien sind da recht klar. Du bist gesperrt. Jörg.
Ist im Gegensatz zu Nintendo low IQ Games für Hirn und Fingermotorik fordernd. Nix für Nintnedospieler
No Cars Go schrieb am
15 Monate nach Release und in Version 1.09 rollten nun auch bei mir die Credits, und ich brauchte erstmal ein gutes Stündchen, um zu verarbeiten, was da über knapp 30 Spielstunden auf meinem Bildschirm passiert war. Selten hat mich eine Geschichte, ganz gleich ob erzählt via Videospiel, Film oder Serie, so aufgewühlt wie Neil Druckmanns jüngstes Werk, und ich bin froh, den ersten Teil zuvor bereits gespielt zu haben, um dramaturgisch die maximalmögliche Breitseite dieses Bretts vor den Latz gezimmert bekommen zu können. Zwar habe ich schon ein paar Kritikpunkte an manchen Aspekten der Erzählweise, auf die ich auch noch zu sprechen kommen werde, aber grundsätzlich kann ich dem Herrn Luibl nur zustimmen; The Last of Us Part II ist auch in meinen Augen nicht weniger als ein Meilenstein der Geschichte des Videospiels. Und nicht nur der des Videospiels: Auf Anhieb fällt mir kein filmisches Werk ein, das mir den Tropus der Rache reifer und im dramaturgisch-positiven Sinne unangenehmer nahgebracht hätte.
Menschen, so will es ihre Natur, fühlen sich in der Regel und gerade in Belastungssituationen, ganz selbstverständlich dem Lager verbunden, in das sie entweder zufällig hineingeboren wurden oder dessen Seite der Geschichte sie, ebenso zufällig, zuerst erfahren haben. Loyalität, und wem sie zugestanden wird, ist, genau wie bspw. beim Clubfußballfantum, selten rational begründbar und in erster Linie Werk der Göttin Tyche. Und wer Freund ist und wer Feind, das kann sich innerhalb kurzer Zeit ändern, wie uns im 20. Jahrhundert vor allem die Geschichte des Zweiten und des Kalten Krieges gelehrt hat. The Last of Us Part II zeigt auf herausragende Weise, was es bedeutet und wovon es abhängt, den Feind zu lieben und den Freund zu hassen, Identifikationsfiguren zu Endbossen aufzubauen und beim Gegner den Freund, die Gattin, die Familie eines anderen Menschen und einer anderen Biographie mitzudenken; "The Russians love their children, too ..." trifft den Nagel gut auf den Kopf....
ChiefMayhemSoap schrieb am
Ich habe vor dem Spiel - wie wahrscheinlich viele andere auch - noch einmal den ersten Teil gespielt. Im Anschluss dann Teil 2 und dann Teil 2 einfach nach ca. 2 Wochen direkt noch einmal.
Dabei hat mich tatsächlich der Personenwechsel im Spiel beim ersten Mal richtig gewurmt. Wenn man dann aber dabei bleibt, dann wächst das Spiel durch diesen Wechsel in meinen Augen noch einmal extrem. Die Nachvollziehbarkeit der Motivation beider Charaktere und auch diese Momente am Ende,... ich fand es großartig.
schrieb am