Lesertest von Kelad
Dragon Age: Origins ist ein echtes Mammutwerk geworden. Es beschäftigt für Tage (ich hab gehört manche auch für Wochen :) ), bietet theoretisch sechsmal die Chance auf ein eigenes individuelles Abenteuer und es hat Schmackes. Manchmal beißt man sich an den unbarmherzigen Gegner auch endlich mal wieder die Zähne aus, aber das zeigt eben auch, wieviel Biss wir als einstige Hardcore-Gamer inzwischen verloren haben, weil sich die Entwickler soviel Mühe geben alles einsteigerfreundlicher zu machen. Es ist ein echtes Rollenspiel geworden und das ist wohl das größte Kompliment, was ich ihm zu diesem Zeitpunkt machen kann.
Trotzdem ist nicht alles Gold, was glänzt: FALLOUT 3 erzählt alleine mit der Stimmung seiner Kulissen Geschichten. TOO HUMAN ist eigenständiger, mutiger (aber auch unfertiger). MASS EFFECT erreicht in seiner Präsentation Kinoniveau und zerrt den Spieler auf dem Kurztrip durch die Mainstory in ein bislang unerreicht intensives Finale. Das Dragon Age trotzdem eine Perle unter den Rollenspieler ist, bewirkt die Entscheidung der Entwickler den Spieler nicht mehr in das moralische Korsett von Gut und Böse zu zwingen.
Ich habe Banditen erschlagen, weil sie es gewagt haben, sich an einem Adeligen und seinem Gefolge zu vergreifen. Ich habe ein Duell mit Todesfolge gefochten, weil ein anderer Adelsmann es wagte mich der Lüge zu bezichtigen. Ich habe mich mit Frauen amüsiert, ja sie sogar ins Bett diktiert, während ich standesgemäß nur einer einzelnen ernsthaft den Hof machte, ihr sogar versprach nach dem Ende des Krieges mit ihr in die Ferne zu ziehen. Ich habe vermeintliche Verräter exekutiert und mich gegen meine Freunde gestellt. Mit denen, die blieben, zog ich in die Schlacht gegen eine Finsternis, die bei weitem nicht die größte und einzige Sorge in einer gespalteten Welt war. Manche haben mich verurteilt, manche haben mich gelobt und viele sind mir gefolgt. Vielleicht klingt das alles nicht einmal besonders spektakulär, aber jedes Schicksal, viele Szenen und alle der Entscheidungen haben mich berührt, etwas in mir verändert oder mich einfach zum Nachdenken angeregt.
Jeder schreibt hier seine eigene Geschichte und diesmal wird man selbst vom Spiel nicht in eine Schublade gesteckt. Kein Gut oder Böse, kein Schwarz oder weiß. Nur den Kompromiss oder die Entscheidung für etwas, das man für sein Land oder sich selbst als das Richtige erachtet. Das ist Rollenspiel auf dem höchstmöglichen Niveau. Nur technisch wäre mehr drin gewesen.
Pro
- Teil hübsch gestaltete Schauplätze
- ansprechende Zaubereffekte
- flüssige Animationen
- Toller, treibender Soundtrack
- "Old-School" Gameplay mit vielen Taktikoptionen
- erfrischend umgesetzte, unverbraucht erwachsene Spielwelt
- viele Bezüge zu zeitgenössischen Problemen
- emotionale Entscheidungen, die zum Nachdenken anregen
- unterschiedliche Enden
- tolle, denkwürdige Nebencharaktere
Kontra
- Grafik hat unter der Portierung gelitten (verwaschene Texturen, Pop-Ups)
- Schwierigkeitsgrad manchmal unausgewogen
- unübersichtlich bei größeren Gefechten
- außer in Kämpfen keine Sprachausgabe für den Hauptcharakter
Dragon Age
